IPad-Zwang

Henning Thielemann lemming at henning-thielemann.de
Mi Apr 3 10:05:51 UTC 2024


On Wed, 3 Apr 2024, Roland Miyamoto wrote:

> An der Schule meiner Kinder wird erwartet / wurde beschlossen, dass 
> jedes Kind ab Klasse 8 ein eigenes Apple IPad besitzt und damit 
> arbeitet, und zwar sowohl in der Schule als auch zu Hause. Der 
> Unterricht einschließlich Hausaufgaben wird darauf ausgerichtet.

Das Problem ist gar nicht neu. Schon zu meiner Schulzeit vor 30 Jahren 
hieß es, wir bräuchten für den Mathematikunterricht unbedingt einen 
bestimmten graphikfähigen Taschenrechner von CASIO. Da ich schon mit 
verschiedensten Taschenrechnern ausgestattet war, hatten wir in der 
Familie entschieden, dass wir erst einmal abwarten. Und siehe da: Benutzt 
haben wir die speziellen (Grafik-)Funktionen des Rechners vielleicht ein- 
oder zweimal. Aber zum Zeichnen einer Parabel tut es auch eine 
Parabelschablone oder kariertes Papier. Viel komplizierter werden die 
Funktionen zu Schulzeiten auch nicht. Beobachtet habe ich bei meinen 
Mitschülern, dass der Grafiktaschenrechner hauptsächlich als Spickzettel 
verwendet wurde und dass die Leute ständig über leere Batterien geklagt 
haben.


> • Welche Möglichkeiten haben wir, für uns und unsere Kinder unsere 
> digitale Souveränität zu bewahren?
>
> • Haben unsere Kinder ein Recht auf Unterricht unabhängig von 
> vorgeschriebenen Geräten?
>
> • Kann die (in diesem Fall evangelische) Schule unseren Schulvertrag 
> kündigen, wenn wir nicht mitziehen?

Oh eine Schule in freier Trägerschaft. Da wird man schlecht mit einem 
staatlichen Technikneutralitätsgebot argumentieren können. Allerdings kann 
man, wenn man schon in der Schule ist, auf den bestehenden Schulvertrag 
verweisen und hat da doch einen Bestandsschutz oder wahrscheinlich 
wenigstens ein Sonderkündigungsrecht.

Ich hatte die Diskussion auch schon in einer Schule in evangelischer 
Trägerschaft. Da ging es darum, ob die Schule im großen Stile Spenden für 
neue Windowsrechner sammelt, oder ob sie die vorhandene Technik mit Linux 
flott hält. Ergebnis war, dass der technikverantwortliche Lehrer der 
Schule der Linux-Lösung aufgeschlossen gegenüber stand, aber ein 
Kirchengremium in Thüringen entschieden hat, dass alle Schulen in dieser 
Trägerschaft von der gleichen Firma mit der gleichen Software ausgestattet 
werden.


> Es gibt für uns in unserer Großstadt eigentlich kaum eine gangbare 
> Alternative, denn, soweit mir bekannt, verlangen außer der Waldorfschule 
> alle weiterführenden Schulen ab Klasse 8 den Einsatz von Apple IPad.

krass


Naja, ich denke, viel mehr, als die Gelegenheit zu nutzen, die Diskussion 
zum Thema digitale Selbstbestimmung in Gang zu halten, kann man nicht tun. 
Wenn sich Leute sehenden Auges und mit Macht in digitale Fesseln begeben 
wollen, wer will es ihnen verbieten?

Ihr könnt euch in Subversion üben und erst einmal kein Ipad anschaffen und 
gucken, wie ihr damit durchkommt. Wenn eure Zöglinge damit nicht 
einverstanden sind, werden sie allerdings genervt sein, wenn die 
Mitschüler in der Schule alles problemlos mitmachen können und sie immer 
extra Klimmzüge benötigen. Ich konnte mir die Ausnahme leisten, weil ich 
mich für meine Technik interessiert habe und sie durchdrungen habe und 
alles machen konnte, was im Unterricht verlangt wurde. Wer nur Benutzer 
sein will, wird nicht verstehen, warum man so wahnsinnig toll bunte und 
einfach zu benutzende Apple-Technik nicht verwenden sollte.

Wenn gar keine Schule euren Wünschen entspricht, bleibt euch noch das 
selbstbestimmte Lernen ohne Schule. Ich befasse mich seit zehn Jahren mit 
dem Thema und habe schon etliche Familien bei Auseinandersetzungen mit 
Behörden und Gerichten unterstützt.


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