Wie von integrierenden proprietären IT-Anbietern wegkommen?

Kristian Rink mail at zimmer428.net
Fr Mär 20 13:12:29 UTC 2020


Hallo Bernhard, *;


danke für die Anmerkungen. Vorab: Nach "außen" (im Diskurs mit
Menschen, die ich von FLOSS überzeugen möchte) kommuniziere ich auch
anders, aber an dieser Stelle scheint mir Zeit und Ort gegeben, gewisse
Dinge auch mal kontroverser anzusprechen... ;)



Am Freitag, den 20.03.2020, 13:44 +0100 schrieb Bernhard E. Reiter:
> 
> > Sicher: Die Industrie fokussiert
> > darauf, ihre Produkte an eine große, größtmögliche Masse zu
> > bringen.
> 
> Denn es gibt viele Angebote (von "der Industrie"), welche sich an 
> Nischen richten oder bestimmte Dinge anders machen. 
> (Beispiele Posteo.de und Mailbox.org als test.de Sieger bei Email-
> und Kalenderanbietern für Leute die Privatsphäre mögen.)
> Die Frage ist: Werden sie angenommen?
> 

Das kommt darauf an. Dort bin ich mir arg unsicher. Meine sehr
subjektive Wahrnehmung oder Angst ist: Diese Anbieter haben
grundsätzliche Nachteile, weil sie zwar gut sind, ihre Aufgaben solide
erledigen, aber relativ weit hinter dem zurückliegen, was Apple,
Google, Microsoft seit langem tun. Kalender und Mail sind ja schön,
aber das sind Dinge, über die sich bei den großen Anbietern (und auch
vielen Nutzern) kaum jemand mehr Gedanken zu machen scheint. Zumindest
in meinem Umfeld (subjektive Brille, wie gesagt), wird das als völlig
selbstverständlich  funktionierend vorausgesetzt und (möglicherweise
anderes Problem) als Teil des "Systems" angenommen, das man gekauft hat
- wie noch vor 25 Jahren alle Welt davon ausgegangen ist, dass ein PC
und Windows untrennbar zusammengehören. Dazu kommt, dass Mail
insbesondere im privaten Umfeld außerhalb einer gewissen Nutzergruppe
in der Breite kaum noch Relevanz zu haben hat, zumindest kann ich mich
nicht mehr erinnern, wann ich die letzte *private* Konversation via
Mail geführt hätte. 


> > Eine große Masse der Leute, die in der
> > FLOSS-Entwicklung aktiv sind, sind eben *Entwickler*. Menschen, die
> > Code schreiben. Deutlich seltener UI/UX-Experten, Designer oder
> > Projektmanager.
> 
> Die Fähigkeit "Software-Entwicklung" schließt normalerweise den
> Design, UX und Managing-Teil mit ein. Und darum gibt es auch sehr
> viele Leute mit diesen Fähigkeiten die Freie Software mitentwickeln. 
> 

Jein. Dann lass es mich anders formulieren: Zu viele FLOSS-Projekte
(Ausnahmen bestätigen die Regel) sind code-zentriert und von
Programmierern nach technischen Gesichtspunkten vorangetrieben.
Deswegen führt man teilweise auch ewige Diskussionen, warum Projekte
wie GNOME oder elementary relativ detaillierte bzw. restriktive HID-
Guidelines haben. Das ist nicht wirklich schlimm, aber es ist unredlich
und für Endnutzer*in schwierig, ih* die Ergebnisse der Arbeit eines
solchen Projektes vorzuschlagen als Alternative zu einem professionell
(egal ob proprietär oder FLOSS) entwickelten, betriebenen "Produkt". 

Vielleicht ist das auch die Abgrenzung, die es braucht - professionell
vs. "Hobby-Projekt"? Das würde auch dezentrale Systeme für Chat, ...
anders einordnen: Bekomme ich die Verfügbarkeit von WhatsApp oder
Telegram verbunden mit besserem Datenschutz von einem "Einzelkämpfer",
der irgendwo allein einen Server betreibt, oder will ich dafür einen
verläßlichen Anbieter? Bekomme ich (aktuelle Situation)
Videokonferenzsysteme sicher, stabil und schnell auf "kostenfreien"
Servern irgendwo im Netz, oder will ich dafür einen professionellen
Betreiber / Partner, der dann natürlich Geld kostet? 




>
> Das ist vielen Leuten verständlich,
> zumindest wenn sie ernsthaft darüber nachdenken.
> Viele würden gern mal 2 Euro für Freie Software bezahlen,
> die Möglichkeiten dafür werden immer besser, sind aber noch zu
> schwer.
> 

Ja, deswegen finde ich auch Ideen wie den App-Store in elementary so
wichtig (pay-what-you-want, bei dem es einen eingestellten
Mindestbetrag gibt, den man manuell auf €0 setzen *kann*). Aber der Weg
ist noch zu lang und die Systeme sind an manchen Stellen auch noch zu
hakelig. Und ich weiß nicht, wie intensiv an diesen Themen gearbeitet
wird.



> Du kannst sowohl f-droid.org, wie auch einzelne Anwendungen
> finanziell unterstützen. (Mache ich seit einigen Jahren. Was hält
> Dich davon ab? >;) )
> 

Dto. Aber das ist ein anderer Punkt, vielleicht auch nur Terminologie.
Dort wäre mir in f-droid eine Abkehr von der Idee "Spende" hin zu
(s.o.) einem pay-what-you-want-Ansatz, ggfs. auch mit einem
Minimalbetrag, sehr viel lieber. Das würde möglicherweise auch neue
Entwickler dazu motivieren, ihre Anwendungen über diesen Kanal zu
vertreiben. Der momentane Text (von wegen "spendiere dem Entwickler
eine Tasse Kaffee") ist zwar nett gemeint, aber für jemanden, der von
Software leben will oder muss, eher suboptimal. ;)

Viele Grüße,
Kristian



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