Vergesellschaftung der Daten

Thomas Jensch riepernet at fsfe.org
Do Jan 5 13:39:33 UTC 2017


Hallo,

* Gerhard Kugler <G.W.Kugler at posteo.de> [2017-01-04T17:06+0100]:

> Bis jetzt leider nicht. Vielleicht deshalb, weil der Artikel und dein
> ergänzender Beitrag schon den Konsens hier darstellt.

Ich seh das anders. Eine Vergesellschaftung wie im Artikel vorgeschlagen
ist bestimmt nicht die Lösung, sondern verschlimmert das Problem nur. 
Implementation bzw. Zentralisierung von Kontroll-/
Überwachungsmechanismen, und nichts anderes ist das Ziel des Autors,
verbilligt Mißbrauchsmöglichkeiten und erhöht die Sollbruchstellen. 

Wer überwacht die Wächter? Betrachtet man existierende Beispiele, ist es
ja nicht so, dass diese übermäßig effizient sind, bzw. sich auch nur
annähernd wie in linken Theorien verhalten. 
Die UN-Organisationen haben zwar im internationalen System eine wichtige
Funktion, aber eben nicht als Weltregierung, sondern sie stellen das
Forum bereit, in dem sich die Staaten dieser Welt friedlich über ihre
verschiedenen Ansichten austauschen können.
Die EZB versenkt mit vollen Händen das Geld anderer Leute und drückt
einen ganzen Kontinent an den Rand des wirtschaftlichen Ruins -
Entscheidungen einer kleinen Anzahl an Menschen.
Die EU (Kommission, EUParl) fühlt sich ebenso verantwortlich für die
Geschicke des Kontinents und bietet so Interessengruppen jeglicher
Coleur den Service, nur auf ein paar wenige Menschen "in Brüssel" einwirken
zu müssen um in der Fläche präferierte Konstellationen zu bewirken.
Landtage, Kreistage und andere für den Bürger deutlich greifbarere
Organisationsformen für res publica bleibt schon seit Jahren nur noch
das Durchwinken der Brüsseler Entscheidungen.
Es ist noch nichtmal ein Geheimnis, dass in den Bundesministerien
teilweise Referentenstellen extern durch einen z.Bsp. Industrieverband
finanziert werden, bzw. Gesetzesvorlagen via outsourcing von
Anwaltskanzleien vorbereitet werden (im Rahmen von Gutachten z.Bsp.).
Dort, wo sich Macht konzentriert, wird auch der Hebel angesetzt
werden, diese Macht für die eignenen Interessen nutzbar zu machen. 
Warum sollte es einer "Daten-UNO" / "internationale[n]
Daten-Überwachungsagentur" anders ergehen? Noch dazu, wenn diese Zugriff
auf den Suchalgorithmus von Google hätte? (Das ist doch der heilige Gral
der IT-Branche und mindestens jeder Mitbewerber würde alles für einen
Zugriff darauf geben, von verschiedenen Staaten gar nicht zu sprechen).

Umverteilungsprobleme. Da wo Geld ist, kommt auch Geld weg. Selbst in
.de geht die öffentliche Hand sehr locker mit den "Einnahmen" um, wie
man jedes Jahr den Berichten des Bundesrechnungshofes, Bund der
Steuerzahler etc. entnehmen kann. EU-weit sieht es noch finsterer aus
und mit Griechenland will ich da gar nicht erst anfangen. Ein
slowakischer EU-Parlamentarier hat vor einiger Zeit mal einen
Zusammenhang zwischen EU-Fördermitteln und Korruption in seinem Land
aufgezeigt, da es sich faktisch um herrenloses Geld handelt, welches von
oben auf die Hierarchie im Land gegossen wird. Und dabei bleibt halt an
vielen Ecken viele kleine Summen hängen und Korruption wird erst ermöglicht. 
Im übrigen auch sehr gut nachzuvollziehen am Entwicklungshilfe vs.
direkte Rücküberweisungen von Migranten.
In jeder größeren Organisation, I(N)GO etc, gibt es Verteilungskämpfe,
die erstmal aufgelöst werden müssen, bevor es dann zur Sache geht. Die
FAZ hat dazu unlängst mal einen Blick auf den mühsamen Weg hin zu einer
UN-Resolution geworfen [1]. 
Warum sollte es einer globalen Daten-Überwachungsagentur anders ergehen?

Kosten. Ich habe kein Problem mit den polemisch als "Steuertricks"
bezeichneten Strategien der Unternehmen, ihre Produkte dem Verbraucher
möglichst günstig zur Verfügung zu stellen. Jede weitere Abgabe werden
die Unternehmen an die Konsumenten weitergeben, abgesehen
davon, dass es sicherlich auch Möglichkeiten geben wird, diese ganz zu
umgehen (siehe "Steuertricks"). Abgesehen davon werden ja generell schon
jede Menge Einnahmen von Unternehmen indirekt via Arbeitgeber an den
Staat abgedrückt (Lohnsteuer, Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer etc.
etc.). 

Zentralisierung schafft mehr Probleme als sie vorgibt zu lösen und
Kollektivierung war noch nie eine gute Idee - da bleibt der Mensch als
Individuum auf der Strecke und wird zum austauschbaren Rad in den großen
Maschinen der "allgemeinwohlverpflichteten" Organisationen.
Die vom Autor vorgeschlagenen Lösungen haben darüber hinaus in
zahlreichen anderen Kontexten immer und immer wieder nicht so
funktioniert, wie er sich das für diesen Fall ausmalt.

mfg
Thomas

[1]
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/diplomatensprache-bei-der-un-14598214.html

PS.
Darüber hinaus ist die Argumentationskette Kartell doch sehr stark
verkürzt und hat ein bischen was von Verschwörungstheorie ala Rothschild
- alle diese Unternehmen stehen im Konkurrenzkampf miteinander und
würden kaum eine Gelegenheit verstreichen lassen, sich einen Vorteil
gegenüber den Mitbewerbern zu verschaffen. (Analog zum Bierkartell, das
ja krachend auseinander geflogen ist, weil AB Inbev als Kronzeuge die
Konkurrenz eiskalt auflaufen lassen hat.)



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