Fundamentalismus/ Vorwürfe / Freiheit (was: FoeBud nutzt proprietäre Software)
Leena
listen at leena.de
Di Mai 10 13:44:30 UTC 2011
< hey listenadmin, sorry die mail war erst mim falschen absender geschickt.
hab sie hiermit nochmal mim richtigen geschickt. kannst also die andere
rausfiltern. lg>
hi,
> Wir wollen hier keinen Fundamentalismus predigen. Natürlich *hoffen*
> wir, dass möglichst alle nur noch freie Software nutzen. Aber wir können
> es nicht *fordern*: Denn die Entscheidung betrifft in den meisten Fällen
> in erster Linie die Leute selbst -- und damit sollte sie frei sein.
>
> (Besser wäre es, das *Anbieten* unfreier Software zu verbieten -- so
> dass Leute gar nicht erst vor diese problematische Entscheidung gestellt
> werden :-) )
>
> Ich hoffe, dass Du solche fundamentalistischen Ansichten nicht nach
> Außen trägst. Sowas schadet der Bewegung nämlich. Unsere Aufgabe ist es,
> die Leute *aufzuklären* -- und nicht ihnen Vorwürfe zu machen, wenn sie
> sich anders entscheiden.
full ack!
hatte neulich eine erfahrung mit einem fs-prediger, der mich die ganze zeit
von freier software überzeugen wollte und gar nicht wahrnehmen wollte, dass er
mich nicht mehr überzeugen braucht. es ging dabei um filmschnitt (was ich ja
schon oft deutlich gemacht habe, warum ich da proprietäre software nutze, und
dass ich aber den fs-markt da sehr genau beobachte - frei nach dem motto: ich
tausche photoshop nicht gegen tux-paint ein, aber sobald es gimp gibt, fliegt
adobe aus dem fenster (höhö wortspiel) - und ich habe ein sehr genaues auge
darauf, wann endlich das gimp des filmschnitts kommt). im verlauf des
mailtauschs wurde er dann richtig arrogant und machte mir vorwürfe und machte
meine arbeit klein ("die paar schnitte kannst du doch auch mit kino machen").
das war eine sehr ätzende erfahrung. und ich glaube an anderer stelle richtet
so eine haltung sehr viel schaden an. das ist so schade, weil ich es ja total
gut finde, dass leute ihre bakennte auf freie software hinweisen (siehe
Convince your Friends). dabei ist es halt wichtig, dass die leute sich nicht
bedrängt oder geschulmeistert fühlen. denn das ist eher schlecht fürs image.
In meiner Magisterarbeit bin ich übrigens gerade über einen schönen Satz von
Kant aus "was ist Aufklärung" gestolpert:
Kant sagt dort, dass Freiheit wichtig ist, damit Menschen sich aufklären
können. Aber lange nicht alle werden das tun. Das ist auch ok, so Kant.
Dennoch müssen alle die Freiheit haben,
"Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eigesetzten
Vormündern des großen Haufens, finden, welche, nachdem sie das Joch der
Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung
des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich
verbreiten werden."
das hat mich sehr an die Freie Software-Bewegung erinnert (schreibe ich so
auch in der arbeit). Es ist nicht wichtig, dass gleich alle die freiheit
nutzen. es ist aber wichtig, dass die freiheit da ist. deshalb würde ich mich
viel lieber dafür einsetzen, dass die freiheit (der software) auch für alle
besteht. Nach Kant können wir aber jetzt nicht von allen anderen erwarten,
dass sie das auch sofort kapieren.
Kant meint, dass der Mensch seine Fesseln sogar sucht und braucht, weil er nie
lernen konnte ohne sie zu leben.
"Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen
nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht
gewöhnt ist."
Deswegen sind Vorwürfe an die, die ihre fesseln noch suchen (auch wenn dieses
verhalten teil der selbstverschuldeten unmündigkeit ist) eher kontraproduktiv.
ich finde das irre spannend, wie aktuell kant noch ist ;) ist in jedem fall
lohnend, sich diesen text in bezug auf fs mal genauer anzusehen.
lg leena
ps: war irgendwie lange nicht auf dieser liste gewesen und freue mich voll,
über das herrliche produktive gesprächsklima hier. vielen dank! das ist eine
wirklich spannende und lohnende ml hier.
--
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