Einschränkungen der GPL

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Fr Jun 3 10:25:11 UTC 2011


olafBuddenhagen at gmx.net schrieb:
> On Tue, May 31, 2011 at 11:10:31PM +0200, Fabian Keil wrote:
> > <olafBuddenhagen at gmx.net> wrote:
> 
> > > Die GPL enthält keinerlei Nutzungsbeschränkungen! Lediglich die
> > > *Weitergabe* ist an gewisse Bedingungen geknüpft.
> >
> > Sind für Dich "Nutzungsbeschränkungen" nur die Beschränkungen, die für
> > die Nutzer gelten, die die Software für sich behalten und nicht
> > verändern ("Endanwender")?
> > 
> > Das würde das "Missverständnis" zumindest erklären.
> 
> Ja, "Nutzer" ist bei Software für mich gleichbedeutend mit "Anwender".
> Bei freier Software geht es ganz eindeutig um die Freiheiten von
> *Anwendern*.

Im Englischen wird hier vom "user" gesprochen. Im Software-Umfeld
wäre "Anwender" die korrekte Übersetzung. Neuerdings wird das auch
wortwörtlich als "Nutzer" übersetzt, keine Ahnung woher das kommt.
Es ist aber das Gleiche gemeint.

> Natürlich darf ein Anwender dabei auch als Entwickler auftreten; und
> seine Weiterentwicklungen gegebenenfalls auch weitergeben -- solange die
> Weitergabe unter Bedingungen erfolgt, die die Nutzung für andere
> Anwender nicht einschränken.

Genau genommen hat auch der Entwickler alle Freiheiten. Erst bei der
Weitergabe, also wenn er zusätzlich die Rolle des Distributors einnimmt,
treffen ihn Beschränkungen.

In der Zeit, als die 4 Freiheiten formuliert wurden, war jeder Anwender
auch ein potentieller Entwicklern. Das heißt, der Begriff "Anwender"
wird dort in einem sehr weiten Sinn verwendet, der Entwickler mit
einschließt. Zum Beispiel würde man einen "Anwender", der die Software
studiert oder gar modifiziert, heutzutage doch eher als Entwickler
bezeichnen.

Die 4 Anwender-Freiheiten sind damit genauso auch Entwickler-Freiheiten.

Und das schlägt sich auch in der GPL nieder: Die GPL grenzt nicht Anwender
von Entwicklern ab, sondern Anwender/Entwickler von Distributoren. Die Idee,
das Pferd von dieser Seite aus aufzuzäumen, ist nicht offensichtlich, aber
genial.

Die GPL enthält noch weitere dieser cleveren Tricks, die GPLv3 sogar
noch mehr als die GPLv2. Diese Tricks basieren alle auf einer einfachen
Grundidee: Statt unliebsame Dinge direkt zu verbieten (und damit Anwender
unnötig zu beschränken), wird "hinten rum" verhindert, dass sie irgendeine
dauerhafte Auswirkung auf andere Anwender haben. Gerade die GPLv3 ist voll
von solchen geschickten Schachzügen. Egal, ob DRM-Klausel, Patent-Klausel
oder Tivoization-Klausel. Es macht einfach Spaß, das zu lesen. [1]

> Deine ursprüngliche Aussage war, dass die Lizenzen von Apple&Co. ja
> nicht grundsätzlich anders sind, sondern lediglich quantitativ weniger
> Freiheiten einräumen als die GPL. Das stimmt aber nicht: Denn die GPL
> verweigert nur negative Freiheiten; während die proprietären Lizenzen
> auch und vor allem positive Freiheiten vorenthalten.

Auch wenn ich dem grundsätzlich zustimme, möchte ich dennoch eine
Lanze für die BSD-artigen Lizenzen brechen. Diese haben nämlich
trotz ihrer Schwächen auch ein großes Feature, das GPL & Co. nicht
bieten: Einfachheit.

Für kleine Projekte verwende ich sehr gern die MIT-Lizenz [2]. Das
ist im Prinzip eine 2-Klausel-BSD, aber schöner formuliert. :-)
Das Ding besteht aus drei kurzen Absätzen, und das war's. Das heißt,
in den ersten paar Zeilen meines Programmes kann ich die gesamte
Lizenz unterbringen. Die ist sogar kürzer als der _Verweis_ auf
die GPL.

Auch die GPL-FAQ empfielt ausdrücklich die Verwendung von einfacheren
Lizenzen für kleine Projekte. [3]

Manchmal ist es aber auch sinnvoll, kleine Projekte unter GPL zu stellen.
Zum Beispiel, wenn man eine bislang einzigartige freie Library entwickelt
hat, die es im proprietären Bereichen gar nicht oder nur zu sehr hohen
Preisen gibt. In dem Fall kann man der Freie-Software-Bewegung etwas Gutes
tun, indem man GPL oder AGPL nutzt, und nicht die LGPL oder BSD-artige
Lizenzen. [4]

Sehr extrem ist das übrigens in der Demo-Szene [5], wie ich vor einiger
Zeit lernte. Dort sind Copyright-Hinweise ziemlich verpönt, denn viele
Intros sind sogar kürzer als die BSD-Lizenzen. Und selbst wenn man
auf seine Verwertungsrechte komplett verzichtet, ist unter Umständen
schon allein der Hinweis "This software has been placed in the public
domain" länger als die eigentliche Software. Das gilt vorallem für
16B- und 32B-Intros.

Hier muss man natürlich aufpassen, denn komplett ohne Lizenzhinweis darf
erstmal niemand etwas damit machen. So sind viele Demos und Intros genau
genommen proprietär, obwohl ihre Erschaffer eigentlich kein Problem damit
haben, dass Leute das Programm kopieren, studieren und so weiter. Schade.


Gruß
Volker


[1] http://www.gnu.org/licenses/gpl-faq.html#DRMProhibited
    http://www.gnu.org/licenses/gpl-faq.html#v3PatentRetaliation
    http://www.gnu.org/licenses/gpl-faq.html#Tivoization

[2] http://en.wikipedia.org/wiki/MIT_License#License_terms

[3] http://www.gnu.org/licenses/gpl-faq.html#WhatIfWorkIsShort

[4] http://www.gnu.org/philosophy/why-not-lgpl.html

[5] http://en.wikipedia.org/wiki/Demoscene

-- 
Volker Grabsch
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