OpenSource-Strategien

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Sa Dez 4 14:38:38 UTC 2010


Hallo Jörg,

nur ein paar kurze Anmerkungen, die Beantwortung der übrigen
Punkte überlasse ich denen, die sich besser damit auskennen:

Jörg Schmidt <joesch04 at web.de> schrieb:
> Aber ihr tut zuwenig dagegen wenn sie (große) Teile der Anhängerschaft
> freier Software zumindest als zweitklassig sehen.
> [...]
> Und solange solche Unterschiede bestehen, wird OpenSource (teils
> als Begriff, teils als Faktum) diskriminiert und nicht als
> gleichwertiger Partner willkommen geheißen. 

Das ist ein interessanter Kritikpunkt, dem ich bis hierhin voll
zustimmen kann. Matthias hat ja auch bereits angekündigt, dass
er unbedingt einen Blog-Beitrag über verschiedene Argumentations-
Linien und damit auch über Freie Software / Open Source verfassen
möchte. Wenn dieser Beitrag viel gelesen wird, gibt es vielleicht
weniger derartige Ausrutscher.

Auch diese Diskussion hier könnte bereits einige Weichen in die
richtige Richtung stellen.

> Solange die anerkannten GRundfreiheiten freier Software lauten
> wie die 4 Punkte oben in:
> http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html 
> 
> ist es eben auch diskriminierend stilschweigend immer den fünften
> Punkt zwischen den Zeilen hinzuzufügen das nur Software mit starkem
> Copyleft wirkliche freie Software sei.

Bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich habe hier den
Eindruck, dass du "Open Source" stark mit BSD-Lizenzen und "Freie
Software" stark mit Copyleft-Lizenzen assoziierst.

Diese Sicht halte ich für nicht zielführend und zudem für sachlich
falsch, aus folgenden Gründen:

1) Es gibt sehr viele Open-Source-Verfechter, die fast nur in Richtung
   Copyleft argumentieren.

   Die Argumentation geht ungefähr so: Wer Freie Software schreibt,
   ist zunächst in einer nachteiligen Position gegenüber denen, die
   proprietäre Software schreiben. Dieser (spieltheoretisch gesehene)
   Nachteil wird durch Copyleft-Lizenzen ausgeglichen, da diese sicher-
   stellen, dass sich niemand einseitig an meinem Software-Produkt
   bereichern kann, sondern alle in meinem Sinne zusammenspielen müssen.

   Ach wenn ich persönlich diese Ansicht nicht so recht teile, möchte
   ich darauf hinweisen, dass es diese Argumentation bis in die
   Eröffnungsrede der letzten FOSS4G geschafft hat, und dass diese
   Argumentation auf rein pragmatische Aspekte abzielt, ohne auch nur
   ansatzweise politisch in Richtung Freiheit zu argumentieren.

2) Es gibt sehr viele Fellows in der FSFE, die nur die BSD-artigen
   Lizenzen als "wirklich frei" erachten, und die Copyleft-Lizenzen
   als "weniger frei" empfinden.

   Auch diese Ansicht teile ich nicht so recht, möchte aber darauf
   hinweisen, dass diese Sicht in der FSFE so weit verbreitet ist,
   dass in der Öffentlichkeit über Copyleft vs. non-Copyleft kaum
   gesprochen wird. Man weiß einfach, dass es dazu sehr unterschiedliche
   Ansichten innerhalb der Fellows gibt, und das ist okay. Es hat
   sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht zielführend ist,
   diese Diskussionen vor Leuten zu führen, denen man erst einmal
   die Grundlagen vermitteln möchte. Man erklärt, was Copyleft und
   non-Copyleft ist, dass es beides bei Freier Software gibt, und
   fertig. Ohne jede Wertung.

Will sagen, ob jemand für oder gegen Copyleft ist, hat nichts
damit zu tun, ob es sich eher mit Freier Software oder mit
Open Source identifiziert.


Gruß
Volker

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Volker Grabsch
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