OpenSource-Strategien

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
Do Dez 23 01:29:05 UTC 2010


Hallo,

On Sat, Dec 04, 2010 at 02:17:55PM +0100, Jörg Schmidt wrote:
> Matthias Kirschner schrieb:

> Findet es die FSFE gut das es soviele verschiedene Strategien gibt,
> die ein effizientes, kraftvollen Handeln eigentlich erschweren?

Tun sie das wirklich?...

Ich vermute eher dass es wirksamer ist, wenn freie Software auf sehr
unterschiedliche Weise in die Diskussion gebracht wird, als wenn durch
eine einheitliche Linie alle gebetsmühlenartig das Gleiche
wiederholen...

> > Die FSFE ermutigt jeden mit Freier Software Geld zu verdienen.
> 
> Ja, das ist so. Allerdings wird das immer wieder dort zunichte gemacht
> wo an der Basis, um Sympatie zu erzeugen, wirtschaftskritisch
> argumentiert wird.

Das (scheinbar) Paradoxe ist, dass freie Software sowohl das
neoliberale, als auch das sozialistische Lager bedienen kann -- und zwar
ohne sich dabei in einen Widerspruch zu verwickeln...

Für Neoliberale ist freie Software interessant, da sie einen sehr
flüssigen Mark schafft, und damit den idealen Kapitalismus ermöglicht.
Für Sozialisten ist sie interessant, da der selbe flüssige Markt die
Abhängigkeit von einzelnen Konzernen verringert; und da außerdem auch
einzelne Entwickler oder gar Hobbyprogrammierer gemeinsam komplexe
Software schaffen können, auch die Abhängigkeit von Konzernen insgesamt.

Bei der Argumentation muss man natürlich darauf achten, dass man sich
auf diese Tatsachen beschränkt, und nicht zu übertriebenen Aussagen
hinreißen lässt, die das jeweils andere Lager verärgern könnten -- da
hast Du Recht...

> > Freie Software entsteht auch für Geld 
> 
> ja eben 
> 
> Und wäre man genauer würde man sagen _nur_ durch Geld denn auch der
> Freizeitprogrammiere muß es sich leisten können in seiner Freizeit
> freie Software zu programmieren, denn wer Sozialhilfeempfänger ist
> kann das vielleicht garnicht weil er seine Freizeit braucht um sein
> Überleben zu sichertn (Behördengänge, KLeiderkammern, Gang zu Tafeln,
> etc.)

Das halte ich doch für ziemlich weit hergeholt. Ich habe keinen Zweifel,
dass ein nicht berufstätiger Entwickler wesentlich mehr Zeit hätte,
hobbymäßig freie Software zu entwickeln.

(Ist allerdings eh ein eher hypothetischer Fall -- ein fähiger
Entwickler sollte wenig Schwierigkeiten haben, bezahlte Arbeit zu
finden...)

> Solange die anerkannten GRundfreiheiten freier Software lauten wie die
> 4 Punkte oben in: http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html 
> 
> ist es eben auch diskriminierend stilschweigend immer den fünften
> Punkt zwischen den Zeilen hinzuzufügen das nur Software mit starkem
> Copyleft wirkliche freie Software sei.

Das ist ein haltloser Vorwurf. Die FSF benutzt aus strategischen
Überlegungen Copyleft-Lizenzen, und empfiehlt dies in den meisten Fällen
auch Anderen; sie würde sich aber davor hüten, Software unter anderen
(freien) Lizenzen als minderwertig abzutun.

Übrigens gibt es sogar mindestens ein GNU-Projekt, das größtenteils
unter BSD-Lizenzen steht... (Wenn auch nur aus historischen Gründen.)

> Die Betrachtung von z.B. BSD-Lizenzen und der GPL, in der Art und
> Weise wie sie die FSF betreibt,

Was für eine Art und Weise soll das denn sein?

> hat nämlich nichts mit den anerkannten Grundfreiheiten im Eigentlichen
> zu tun (die erfüllen beide Lizenzen) sondern mit politischen Ansichten
> der FSF. 

Die vier Grundfreiheiten sind nichts anderes als die politischen
Ansichten der FSF in kondensierter Form...

> Das OOo Community Council hat in seiner Kritik gegenüber dieser
> FSF-Campagne völlig klargemacht das es vom Bild des selbstbestimmten
> OOo-Nutzers ausgeht und das dieser die Freiheit verdient auch selbst
> wählen zu können.

Eine solche Einstellung ignoriert die Tatsache, dass die allerwenigsten
Leute genug wissem, um sich über die Folgen solcher Entscheidungen
wirklich klar zu sein -- und zwar nicht weil sie dumm und faul sind,
sondern weil kein Mensch genügend wissen kann, um jede einzelne
Entscheidung in seinem leben informiert treffen zu können.

Sie ignoriert des weiteren die Tatsache, dass es an sich unmoralisch
ist, den Leute eine Wahlmöglichkeit anzubieten, die sie langfristig in
eine problematische Lage bringt. Und auch die Tatsache, dass Menschen --
egal wie aufgeklärt -- bei Entscheidungen tendenziell kurzfristige
Vorteile über langfristige Folgen stellen.

Nicht umsonst haben wir Gesetze, die bestimmte problematische Verträge
ungültig machen, selbst wenn beide Seiten zugestimmt haben. Es ist
einfach illusorisch zu glauben, dass eine Gesellschaft ohne solche
Regeln gut funktionieren kann.

> Ist sich die FSFE überhaupt klar das eine Veröffentlichung der Form:
> http://www.fsfe.org/campaigns/pdfreaders/buglist.de.html
> 
> eigentlich sowas wie ein Pranger ist? Was ist das für ein Stil? Seiner
> Natur ist das ungeeignet um 'Verursacher' umzustimmen, denen man
> vielmehr in Ruhe erklären sollte um was es geht statt sie anzuklagen
> für Dinge die sie aus ihrer Sicht garnicht als Fehlverhalten
> begreifen.
>
> Alles was erreicht werden kann ist das sich die Angeprangerten dem
> DRuck beugen, aber niemals werden sie den an den Tag gelegten Stil
> vergessen und schwerlich werden sie deshalb Freunde freier Software
> werden.

Diese Seite dient nicht zur Anklage oder als Druckmitel, sondern als
Organisationshilfe -- es ist eine Liste von Einrichtungen, die im
Folgenden angeschieben wurden, um sie auf die Problematik aufmerksam zu
machen. (Mit durchaus sehenswerten Ergebnissen übrigens.)

Es wäre eine Schande, auf solche Aktionen zu verzichten, nur weil einige
Berufskritiker die Liste gerne als Pranger missverstehen möchten...

> Man stelle sich einmal den Aufschrei vor wenn irgendjemand auf die
> Idee käme Vertreter freier Softzware zu analysieren und dann
> beispielsweise öffentlich anzuprangern das sie Elektronik benutzen die
> unter beschämenden Arbeitsbedingungen in China produziert wird oder
> konventionelle Lebensmittel kaufen oder Auto fahren, oder, oder ...

Hier geht es um eine Liste von öffentlichen Einrichtungen, nicht von
Privatpersonen...

> Viel hat die FSFE wohl zu OOXML kritisiert, aber jeder der sich mit
> der Materie auskennt vermisst kritische Aussagen zum _praktischen_
> Geschehen um ODF. Wo wurde denn kritisiert das MS ein Jahr(!) lang
> Zeit hatte die ISO weichzuklopfen OHNE das die Vertreter von ODF
> irgendetwas öffentlichwirksames taten um die PRAKTISCHE Nutzbarkeit
> von ODF zu belegen (Aussagen von z.B. Heise zum Austausch von ODF
> mittels KOffice-OOo waren beschämend). Wo ist die Kritik der FSFE wenn
> OOo seit Langem, am ISO-ODF-Standard vorbei, ODF nach OASIS-Standard
> implementiert? Wo ist der Druck der FSFE auf LibreOffice die
> Implementierung von ISO-ODF als strategisch wichtigen Kernpunkt der
> zukünftigen Arbeit zu begreifen?
> 
> Wo sind Aussagen im Streit ODF-OOXML die den Hintergründen und
> Notwendigkeiten wirklich gerecht werden? Man kann doch Studien wie:
> http://www.heise.de/open/meldung/Fraunhofer-ODF-und-OOXML-nur-bedingt-kompatibel-752261.html
> 
> nicht einfach als nichtig erklären, weil sie von MS gefördert wurden.
> Wo stellt sich hier die FSFE der INHALTLICHEN Diskussion technischer,
> aber auch wirtschaftlich-gesellschaftlicher Fragen? Wo sind denn, im
> Angesicht dieser Fraunhofer-Studie, durch die FSFE initiierte
> Diskussionen wie das Problem ODF-OOXML PRAKTISCH zu lösen sei? Jeder
> der die Dinge nüchtern betrachtet sieht doch das es hier auch
> technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt und sich die
> Probleme nicht allein mit der reinen Unwilligkeit von MS abtun lassen.

Naja, die FSF(E) ist keine Standardisierungs-Organisation... Sie kann
auf Missstände hinweisen, die die Verbreitung freier Software behindern;
für alles Andere fehlen sowohl Ressourcen, als auch Zuständigkeit.

-antrik-



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