Hardliner vs. Pragmatiker? | War: Re: Marktbeherrschende Stellung (war: Parlamentsfernsehen auf bundestag.de)
Johannes Näder
johannesnaeder at gawab.com
So Apr 5 16:36:28 UTC 2009
Hallo,
ich bin leider nicht sehr gut informiert, was den aktuellen Status von Firefox
/ Mozilla angeht (mir war Firefox bisher tatsächlich als freie Software
bekannt), erlaube mir aber eine grundsätzliche Anmerkung.
Ich bin vor drei Jahren zu freier Software gekommen, weil ich damals Windows
"irgendwie uncool" fand und den Gedanken, dass es ein von freiwilligen
programmiertes Betriebssystem und entsprechende Programme gab, "irgendwie
cool". Ich benutze also Kubuntu, anfangs mit ziemlich vielen proprietären
Codecs und einigen proprietären Programmen wie VMware.
Gleichzeitig begann ich aus verschiedenen Gründen, mich mit den Konzepten und
der Geschichte von Freier Software zu beschäftigen. Rechtliche Details haben
mich dabei zum Teil auch interessiert, standen aber nie im Mittelpunkt meines
Interesses; mir ging es eher um den gesellschaftlichen Aspekt von Freier
Software, um Partizipation als Vergesellschaftungsmechanismus [1], auch um
eine die kulturtheoretische Bedeutung von "Offenheit" bzw. "Freiheit". Und ich
habe von Anfang an vielen von meinem neuen Hobby erzählt und mehr als nur
einige von freier Software überzeugt.
Mit der Zeit ersetzte ich ein proprietäres Programm nach dem anderen durch
freie Lösungen - mir schien es zunehmend selbstverständlich, wenn möglich die
freie Alternative zu wählen, auch wenn damit zum Teil Stabilitäts- oder
Qualitätseinbußen verbunden waren. Es gibt einige wenige Bereiche, in denen
ich bis heute nicht auf proprietäre Software verzichten kann oder möchte;
meist in Bereichen, wo diese Stabilitäts- oder Qualitätseinbußen zu hoch
wären.
Trotzdem würde ich mich als passionierten Nutzer freier Software bezeichnen.
Wenn ich nun erfahre, dass mein Browser Firefox aus guten Gründen als
"proprietär" bezeichnet werden muss, dann habe ich kein Problem damit, einen
Umstieg auf Konqueror in Betracht zu ziehen.
Mir fällt aber kein einziger Grund ein, aus dem man die Millionen Firefox-
Nutzer dafür kritiseren sollte, dass sie ihren Schritt weg von proprietärer
Software zwar versucht, aber (noch) nicht geschafft haben. Im Gegenteil halte
ich das für kontraproduktiv, in jeder Hinsicht: Am Ende wird man als
"Hardliner" belächelt, und der Anfangsenthusiasmus auf seiten des Umsteigers
ist futsch.
Firefox, Ubuntu usw. sind vielleicht in einigen Punkten problematisch, und die
Nutzung von Adobe Flash und dem NVidia-3D-Treiber unter Linux erst recht, aber
sie sind alle beliebt und haben deswegen das Potenzial, Millionen Menschen an
freie Software heranzuführen. Bei mir hat das geklappt, und bei vielen meiner
Bekannten auch.
Wir können solche "problematischen" Lösungen deswegen weiter kritisieren, aber
wir sollten ihre *Nutzung* nicht als "unfrei" (in einem ethischen Sinne, wenn
ihr versteht, was ich meine) völlig ablehnen. Damit schaden wir letztlich dem
Fortkommen von Freier Software.
Kurz und knapp: Wenn Firefox proprietär ist, wechsle ich selbst zu Konqueror.
Aber (potenziellen) Umsteigern empfehle ich Firefox weiterhin inbrünstig, weil
ich sie dadurch vielleicht - wenn auch auf Umwegen - zu Freier Software
bringen kann.
Wahrscheinlich ist diese Diskussion schon hundertmal geführt worden, olle
Kamellen sozusagen. :)
Viele Grüße,
JN
PS. Ich beziehe mich nicht nur bzw. nicht primär auf deinen Beitrag, Werner,
sondern auf eine Reihe von Mails, die ich hier seit meiner Anmeldung gelesen
habe und die ich in dieser Hinsicht problematisch finde.
- - -
[1] Vgl. Uli Zappe, Vom spielerischen Ernst des Programmierens, in: Open-
Source-Jahrbuch 1 (2004), S. 420.
On Sonntag 05 April 2009 17:34:29 Werner Koch wrote:
> Das bezog sich konkret nur auf "wie eine proprietäre Software mit
> dranhängenden Unternehmen es kann". Als etwas anderes kann ich Firefox
> nicht ansehen.
[...]
> Der Satz "Wenn ich Firefox benutze, nutze und unterstütze ich ja freie
> Software." ist leider weit verbreit.
Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de