Weizenbaum: Wir gegen die Gier

Robert Schuster theBohemian at gmx.net
Do Mär 13 15:29:57 UTC 2008


Hi.

Bernhard Reiter schrieb:
> Moin Ingmar,
> [...]
> um es klar zu sagen: Das wird so nichts!
> 
> Für die meisten übersetzt sich "ganz grundsätzlichen Aussagen" 
> mit "Blah Blah". Klar, zu ganz grundsätzlichen Aussagen können wir alle Ja 
> sagen, selbst in den Menschenrechten und im deutschen Grundgesetz steht schon 
> viel Zustimmenswertes drin. Und nun zur praktischen Umsetzung ...
Ich finde Ingmars Vorschlag zu einer besseren Vernetzung von
Interessengruppen die sich mit unterschiedlichen gesellschaftlichen
Fragen befassen gar nicht so schlecht.

Für mich persönlich ist freie Software nur ein Aspekt der mir wichtig
ist. Er sticht für mich hervor, weil er der einzige ist, wo ich mich
persönlich engagiere, zB. durch das Fellowship, meine private und
kommerzielle Mitarbeit an freien Softwareprojekten, der Ablehnung von
proprietären Betriebssystemen, Protokollen, Programmen. Kennt ihr alles
selber zu genüge. ;)

Wichtig ist mir aber auch, dass mein Strom ökologisch, mein Essen
biologisch (und gentechnikfrei), meine Privatssphäre meine Privatssphäre
bleibt und wenn möglich sollten die anderen Dinge die ich kaufe nicht
unter unsäglichen Bedingungen produziert worden und diejenigen, die es
hergestellt haben, fair bezahlt worden sein.

>> Wie auch immer: die Frage ist, ob wir weiter machen wie bisher
> 
> Ich verstehe aus Deiner Email allerdings nicht, was und wie es besser ginge.
Da hätte ich eine Anregung.

Vor einiger Zeit gab es auf der Greenpeace Homepage einen Artikel bei
der Computerhersteller danach bewertet werden, wie sie mit dem von ihnen
erzeugten Schrott umgehen. Lobend wurde dieses Jahr das Unternehmen
Apple erwähnt (da es sich im Gegensatz zum vorherigen Jahr gebessert
hatte).

Wie auf dieser Mailingliste bekannt sein dürfte, ist Apple aber keines
der Unternehmen, die hoch in der Gunst der Freien Softwarebewegung
stehen. Von daher kann ich mich mit den Greenpeace-Leuten nur halb
soviel über Apple's Engagement im Umweltbereich freuen. Zumal ich
befürchte das der ökologische Goodwill-Faktor benutzt wird, um die
software-monopolistische Evilness zu übertünchen. (Entschuldigt die
Wortneuschöpfungen, aber mir ist jetzt nicht nach staubtrockener
Argumentation)

Umgekehrt freut sich ein Teil der freie Softwaregemeinde sicherlich über
Asus mit ihren EEEPC-Produkten, da darauf GNU/Linux vorinstalliert ist
und so weiter. Hat einer von uns mal gefragt, wie gut Asus die
Beseitigung von Elektronikschrott handhabt oder was ihre Arbeiter
verdienen und ob die eine Gewerkschaft haben (dürfen) usw? Ich will
damit nicht andeuten, dass bei Asus Missstände herrschen (ich weiß es
nicht) nur dass wir (= die freie Softwaregemeinde) uns solche Fragen
womöglich gar nicht stellen oder dahingehend nachforschen.

-

Eine Sache die ich sehr schade finde ist, dass zB. bei der biocompany
ein bekanntes proprietäres Betriebssystem auf der Kasse läuft. Ein frei
entwickeltes System könnte doch auf lange Sicht Lizenzkosten sparen* und
somit die Rentabilität steigern (mal von den anderen Sachen jetzt
abgesehen).

-

Und jetzt noch ein paar fiktive und spekulative Szenarien, die versuchen
die Angelegenheit noch ein bischen klarer zu machen:

Angenommen Monsanto, Pioneer und die verbliebenen zwei drei
Saatgutmonopolisten stellen ein Softwaresystem unter der GNU GPL nebst
öffentlichem und freiem Softwareprojekt (zB. seeddelivery.sf.net)
bereit, dass es Landwirten ermöglicht Saatgut online und/oder via
Webservices zu bestellen. Würde sich die freie Softwaregemeinde über die
Kontribution offiziell freuen, wie es zB. bei der FSF war, als Sun die
Quellen für "all things Java" freigegeben hat?

Wer von Monsanto noch nichts gehört hat, füttere die nächste
Suchmaschine mit: "monsanto pcb", "monsanto india bt-cotton" oder
"monsanto cotton suicide", "monsanto rbgh", "monsanto agent orange"
(Die Suchthemen entsprechen jenen der auf arte gezeigten Dokumentation.)

Wikipedia hat auch was: http://de.wikipedia.org/wiki/Monsanto

-

In die gleiche Kerbe schlüge, wenn zB. Vattenfall, RWE o.ä. plötzlich
anfinge bei freier Software von sich reden zu machen.

-

Umgekehrt würden wir die Krise kriegen, wenn Microsoft über den grünen
Klee gelobt wird, indem ausschliesslich erwähnt wird, dass deren
Mitarbeiter gut bezahlt und sich das Unternehmen vorbildlich darum
kümmert, dass hochqualifizierte weibliche Fachkräfte angestellt werden
(das tut es tatsächlich!).

-

Worauf ich hinaus will ist: Wenn jede Gruppe in dem Moment wo sie
offiziell etwas Positives über eine bestimmte Firma/Vereinigung/sonstwas
veröffentlichen will, mal kurz gucken könnte, ob es da nicht eine andere
NGO gibt, die ein gewaltiges Problem mit denselben Leuten hat, und dann
entsprechend darauf hinweisen würde, könnte das Helfen zu verhindern,
dass Firmen mit einseitig gutem Engagement, Fehltritte in einem anderem
Bereich medial vertuschen.

-

Wichtiger Hinweis: Was ich hier Anspreche hat *nichts* mit der berühmten
'discrimination of fields of endeavour'-Frage zu tun. Freiheit 0 ist
eine sehr wichtige Freiheit und von mir aus kann jeder eine Software
schreiben irgendeinem fiesen Zweck dient, ich brauche es ja nicht gut zu
finden.

Gruß
Robert


* zudem halte ich Microsoft für das Monsanto der Softwarebranche ...

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