?Oekonux Projekt?

Christian Selig christian.selig at bnv-bamberg.de
Mi Mär 6 10:27:03 UTC 2002


Hallo,

ganz ehrlich, ich beende von meiner Seite mal die Diskussion. Habe 
nämlich noch eine ganze Menge anderer Dinge zu tun :-)
Deshalb möglichst nur noch Konstruktives in dieser Mail.

Lutz Horn wrote:

> mailto:liste at oekonux.de :-)


Danke, *-dev*@* füllt mein Postfach im Moment schon genug aus :-)


> Verstehe ich Dich richtig, dass Du in etwa folgende Gedankenfolge in der
> Oekonux-Diskussion beobachtest zu haben glaubst: Die Marxistische
> Theorie sei die unhinterfragte Ausgangsbasis der Diskussion, durch die
> präformiert alles andere, z.B. das Phänomen der Freien Software
> betrachtet würde? Die Teilnehmer an der Diskussion hätten, bevor sie
> sich mit Freier Software beschäftigten, schon ein gefestigt
> marxistisches Weltbild gehabt, in das nun alles und jedes eingefügt
> werden muss?


Ich kann nicht sagen, *ob* es wirklich so ist. Allerdings scheint mir 
die Rhetorik auf der Webseite stark alte linke Begriffe (z.B. das 
Wortfeld um Produktion herum) zu nutzen. Ich weiß nicht - habt ihr schon 
brauchbarere Begriffe entwickelt, die den Unterschied zwischen Gütern 
und Informationen deutlich werden lassen? Der FFII hat m.E. mit dem 
Begriff der "Logikalie" einen guten Zug gemacht.

Ich würde mir wünschen, dass ihr euch nicht von alten Begriffen leiten 
lasst, die unangemessen sind. Die Sapir-Whorf-Hypothese schlägt dann 
nämlich eiskalt zu und sperrt euch gedanklich ein.


> Falls Du diese Befürchtung hast kann ich Dich wohl beruhigen.

 > [*beruhig*]

Ist ja okay :-)


> Und genau das passiert auch. Zu klären wäre allerdings, wie weit Du hier
> die Begriffe "wirtschaftlich" und "sozial" fassen möchtest. Wenn diese
> ihre Grenzen an der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
> fänden, müsste Dir in der Tat die Oekonux-Diskussion als das Thema
> verfehlend vorkommen.
> 
> Es existieren ja glücklicherweise Organisationen wie z.B. die FSFE, die
> sich der sicher nicht immer lustige Aufgabe angenommen haben,
> Lobby-Arbeit und ähnliche, innerhalb des bestehenden Systems richtige
> und notwendige Tätigkeiten zu machen. [...]

 > [Zus.fas.: FSFE im System, Oekonux "Systemdesigner"]

Genau diese Ansicht teile ich nicht. Allein durch die Tatsache, dass die 
FSFE und Assoziierte Arbeit für Freie Software machen, *verändert* 
bereits das System. Ein Gesellschaftsentwurf kann beliebig lang 
diskutiert werden, ohne umgesetzt zu werden oder überhaupt praktikabel 
zu sein.

"Erst formen wir unsere Werkzeuge und daraufhin formen sie uns." Allein 
durch die Tatsache, dass es Freie Software gibt, wird die Gesellschaft 
verändert. Die gedankliche Veränderung bei den Menschen tritt nicht 
durch Theorien, sondern durch Tatsachen ein. Ist Marshal McLuhan 
("Understanding Media") auch schon auf der Literaturliste? Der hat genau 
in diese Richtung gezeigt, und zwar sehr überzeugend.

Wo ist die Literaturliste im Web? Ich würde wetten, da ist noch viel 
Interessantes drauf.


> Das ist eine Beobachtung, die natürlich innerhalb der Oekonux-Diskussion
> auch schon mehrfach aufgetaucht ist. Wie wäre es, wenn Du Dich einfach
> auf liste at oekonux.de anmelden würdest? ;-)


S.o.: Ich entwickle lieber und mache aktiv Arbeit. Ich denke, das bringt 
mehr.


> Verstehe ich Dich richtig, dass es Dir stark um eine Art Methoden-Kritik
> geht und dass Du bei Oekonux die "falsche" verwendet siehst?


Die Dialektik ist zweitausend und nochwas Jahre alt und dringend 
reparaturbedürftig. Ich finde es absurd, dass reine Logik ohne 
Berücksichtigung von zwingenden Umständen (physikalische Gesetze, 
psychologische Gesetzmäßigkeiten, soziologische Phänomene ...) zu irgend 
etwas führen soll. Ich kann keine Realitätsmodelle bilden, indem ich den 
Realitätsbezug aussen vor lasse.

Vielleicht bin ich auch zu stark von den Büchern geprägt, die ich 
gelesen habe :-) Meine ganz private Brille *g*


> Hier bin ich doch etwas erstaunt, wie Du auf die "wissenschaftliche
> Zielsetzung" von Oekonux kommst. Habe ich da etwas überlesen?


Ist Oekonux also politisch, wissenschaftlich oder einfach nur eine 
Bauchladen-Mailingliste? Bitte Definition. Meine Auffassung war, dass es 
sich um etwas quasi-wissenschaftliches handelt.


>>Die Trennung von Wissenschaft und Staat und von Ideen und Interessen
>>sind die Grundfeste der Wissenschaft gewesen.
> 
> "Gewesen" ist gut :-)


Du hast ein Gespür für Spitzfindigkeiten. Ich dachte beim Schreiben z.B. 
an das Hochschul-Patentgesetz *hüstel*

> Eine völlig interessenlose Wissenschaft, die auch nicht die
> eigenen Vorbedingungen, sowohl fachlich als auch historisch, politisch
> und gesellschaftlich, reflektiert, ist doch eher eine
> Schreckensvorstellung. Die aktuell durch die öffentliche Diskussion
> geisternden Biowissenschaftler sollen ja wohl so etwas wie das Idealbild
> eines solchen interessenlosen, nur vom Ziel des Erkenntnisgewinn
> geleiteten Wissenschaftlers abgeben. Naja ...


Stimmt schon, es gibt ethische Grenzen, die folglich auch kulturell 
abhängig sind. Die Naturwissenschaften sind aber Gott sei Dank nur bei 
ein paar prekären Grenzfällen nicht von ethischen Fragen entbunden. Die 
Geisteswissenschaften (im universitären Zusammenhang) haben m.e. *immer* 
die Aufgabe, das aktuelle System zu begründen und zu stützen. Beispiel: BWL.


> Ich kann Dir versichern, dass so etwas weder beabsichtigt noch der Fall
> ist. Übrigens ist auch die Rede von "führenden Kräften" für mich etwas
> irrietierend. Zumindest meine Vorstellung von einer freien und offenen
> Diskussion, und als solche verstehe ich Oekonx, wäre es, dass eben keine
> "führenden" oder sonstwie wichtigeren Menschen und Postionen etabliert
> werden können.


Ich rede von den Leuten, die Vorträge über Ökonux halten.


>><altelaier mode="on"> Die PISA-Studie</altelaier> hat uns nicht
>>gezeigt, dass die deutschen Schüler nix gelernt haben. Sie haben
>>einfach das falsche gelernt, z.B. konstruktives, kreatives und aktives
>>Denken. 
> 
> Das klingt interessant: Warum sind diese drei Arten des Denkens "das
> falsche"? Abgesehen davon, dass es neben diesen sicher noch andere Arten
> des Denkens gibt, die zu berücksichtigen wären, interessiert mich, was
> denn dann "das richtige" wäre.


Uups, Kommando zurück. Vertippt noch mal. Ich meine selbstverständlich, 
dass konstruktives, kreatives und aktives Denken *richtig* sind. Gibt es 
dazu Gegenstimmen?


>>Kritisches Denken ist keine Qualität, sondern eine schlechte
>>Eigenschaft, weil man lieber eine neue Idee zerreißt als selber eine
>>zu entwickeln.
> 
> Das nenne ich einmal eine steile These :-) Gegethese: ohne Kritik der
> vorhandenen Ideen und der Auseinandersetzung mit diesen und ihrere
> Bewertung ist es unmöglich, eigene zu entwicklen.


Ja, aber das gegenwärtige Diskussionssystem (allgemein gesellschaftlich, 
siehe Politik, Wirtschaft, ...) sieht so aus:
1. Lass den anderen ausreden
2. Nehme die 10% seiner Ideen, die schlecht/falsch sind
3. "Beweise" anhand dieser 10% Prozent, dass der andere ein Idiot ist
4. Sage nun allen, dass die anderen 90% Schwachsinn sein müssen, *weil*
    der andere ein Idiot ist (was ja in 3. bewiesen wurde)

Welchen Erkenntnisgewinn bringt das? Wie wäre es, die 10%, die Probleme 
bereiten, einfach aufzuzeigen und prinzipiell konstruktive 
Verbesserungsvorschläge zu machen?

Lasst euch nicht damit in die "Falle der unendlichen Diskussion" jagen.


> Diese Ansicht teile ich nicht. Es gibt keine objektive, brillenlos
> gewonnene Wahrheit. Wer das behauptet, trägt eine tiefrosa gefärbte
> Brille.


Das heißt, ich trage eine Brille, die mir sagt, dass es eine Möglichkeit 
gibt, keine Brille tragen zu können :-) Ich steig aus, mir wird's jetzt 
zu rekursiv [1], obwohl das Thema interessant ist und ich noch tagelang 
drüber diskutieren könnte :-)


Ciao,

   Christian

[1] Mein Gehirn wird fraktal! Aaahhh! *g*





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