NC-Lizenzen
Roland Hummel
rh at fsfe.org
Mo Mai 17 13:56:00 UTC 2021
Hallo Ilu, Michael und Uwe,
spannende Diskussion, danke dafür. Es schadet vielleicht nicht, in der
Debatte etwas genauer zwischen Ethik und Moral zu differenzieren:
On 5/17/21 9:57 AM, Dr. Michael Stehmann wrote:
> Eine Pflicht zum ethischen Verhalten bedeutet zugleich das Ende von
> Freiheit und Demokratie. Selbst über das "ethische Minimum" dürfte
> nämlich ein Konsens schwer zu finden sein.
Ich verstehe, was gemeint ist, halte aber eine "Pflicht zum ethischen
Verhalten" schon deswegen für sinnfrei, weil sie etwas einfordert, was
immer schon vorhanden ist (vergleichbar mit einer "Pflicht zum Atmen"):
Menschen sind immer schon ethisch orientiert und bedürfen nicht erst
einer Unterweisung, um ethisch zu urteilen (man muss einem Kleinkind
nicht erst ein Konzept von Ethik beibringen, damit es Unrecht empfindet,
wenn die Geschwister Bonbons bekommen und es selbst nicht).
Selbstverständlich kann man sein Urteilsvermögen schulen, um ethisch
reflektierter zu urteilen, wenn die Sachverhalte weniger eindeutig sind
und wollte daher anmerken, das Prädikat "unethisch" nicht vorschnell
zu
verteilen und dabei Gefahr zu laufen, andere ethische Überzeugungen mit
Berechtigungen, die einem nur selbst nicht plausibel oder bekannt sind,
zu ignorieren. Entsprechend...
On 5/17/21 11:51 AM, Uwe Altmann wrote:
> .. oder dürfen die das, weil sie nach der in
> diesem Lande geltenden Ethik Ihre Meinung genau so frei sagen dürfen wie
> jeder andere hier?
...gibt es auch keine "geltende Ethik" (aber ja, mir ist bewusst, dass
die Begriffe sehr vieldeutig verwendet werden, zumal zur "Moral" ja dann
auch noch "Ethos" kommt). Es gibt selbstverständlich (und das war
vielleicht eher gemeint?) eine überindividuell geltende Moral in Form
von gesellschaftlichen Verhaltens- und Handlungszumutungen, die man
aufgrund seiner (individuellen) Ethik freiwillig oder unfreiwillig
übernehmen bzw. ablehnen kann.
"NC" finde ich daher eher auf der moralischen Ebene problematisch.
Weniger, weil Geldverdienen an sich ein Problem ist, sondern, weil wir
in einer Gesellschaft leben, in der letztlich alles ökonomischen Zwängen
unterworfen ist (was wir selbst in Krisenzeiten, wie uns die letzten
Monate zeigten, kaum in Frage stellen). Die Moral unserer Gesellschaft
besteht also in erster Linie darin, dass wir niemandem einen Strick
daraus drehen, Geld zu verdienen (unsere Gesellschaft dreht die Stricke
eher für die "Bartlebys" da draußen). "NC" bekommt in diesem
Zusammenhang meinem Eindruck nach oft "Knieschusscharakter", weil mir
schon als juristischem Laien kaum noch transparent ist, wann heutzutage
ein Veröffentlichungskontext als kommerziell gilt und wann nicht.
Beispiel: Das "Open Source"-Portal der Berliner Zeitung sagt: "Optional
haben Autoren die Möglichkeit, ihre Beiträge unter der Creative
Commons
Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0) zur Verfügung zu stellen."
(https://www.berliner-zeitung.de/opensource.102233). Das von einer
kommerziellen Instanz formuliert finde ich schon absurd, es wird aber
noch absurder, wenn die veröffentlichten Beiträge anschließend hinter
einer Paywall liegen (was meinem Wissensstand der Fall ist).
Gruß
Roland
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname : OpenPGP_signature
Dateityp : application/pgp-signature
Dateigröße : 840 bytes
Beschreibung: OpenPGP digital signature
URL : <http://lists.fsfe.org/pipermail/fsfe-de/attachments/20210517/78d19869/attachment.sig>
Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de