Re: FAZ: Deutschlands Weg führt über Open Source

Christian Imhorst christian.imhorst at fsfe.org
Di Jul 13 17:31:24 UTC 2021


Hi,

sehe ich differenzierter: Sicher ist es schön, dass sich Microsoft mehr
mit Open Source und Freier Software beschäftigt. Damit sind wir als FOSS
Community auf einen guten Weg Richtung Mainstream und viele
Mitarbeitende bei Microsoft fordern auch Open Source ein.

Auf der anderen Seite hat Microsoft aber nicht verstanden, wie Freie
Software funktioniert. Sie machen Open Source da, wo sie Marktanteile
verlieren oder welche Aufholen müssen, wie in der Cloud, also MS Azure
Cloud. Ohne Linux bekommt man halt keine Kunden von AWS weg. PowerShell
Core, Edge, MS SQL Server et.al sind Steigbügelhalter für Win-Admins
nach Azure. Wo sie noch viele Marktanteile haben, machen sie gar nix mit
FOSS, bspw. bei Office 365.

Als ein gutes Beispiel dafür beschreibt Dustin Metzgar in ".NET Core in
Aktion" die Entwicklung von ASP.NET Core, welches zur Keimzelle für .NET
Core als Open Source wurde: ASP.NET verlor aktiv Kunden an z.B. Node.JS,
weil ASP.NET nicht nur unter Windows langsam war, sondern auch auf
Webservern unter Linux mit Mono nicht gut lief und eben auch nicht, wie
von der Kundschaft gefordert, Open Source war.

Ich würde Microsoft nicht als Böse, in moralischen Kategorien von Gut
und Böse, darstellen, oder dass ein perfider Plan hinter ihrer Open
Source-Strategie steckt. Ich sehe eher, dass einige Abteilungen bei MS
erkannt haben, dass sie auf Open Source setzen müssen, um sich in ihren
Geschäftsfeldern weiter behaupten zu können, die sie sonst vielleicht
verlieren würden. Der Kulturwandel bei Microsoft und die neue agile
Denkweise tun ihr übriges dazu, das jetzt zu tun, um Kunden
zurückzugewinnen oder zu halten.

In meinen Augen soll FOSS Nutzer:innen und Entwickler:innen gerade
ermutigen, zusammenzuarbeiten und gemeinsam großartige Dinge zu tun, von
denen alle profitieren können. Microsoft liebt Linux und Open Source nur
dann, wenn Microsoft davon für ihre Mobil- und Cloud-Dienste profitiert,
oder anders gesagt: Bei FOSS geht es darum, Benutzer:innen und
Entwickler:innen zu stärken, bei Microsoft geht es nur darum, Microsoft
durch FOSS zu stärken.

Und ja, ich finde es in meinem Job als Win-Admin supi, dass Microsoft
immer mehr Open Source verwendet, schließlich ist FOSS für alle da und
alle sollten es verwenden können und verbreiten. Während FOSS aber wie
gesagt für die Menschen und ihre freie Entfaltung ist, verwendet
Microsoft FOSS, um Menschen in ihre proprietären Dienste zu zwängen und
dort einzuschließen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Azure oder Office
365 auf und mit FOSS oder auf Linux-Servern laufen, wenn sie FOSS nur
dazu brauchen, um ihre Kunden in einen Vendor Lock-in zu zwingen.

Viele Grüße
Christian
(datenteiler)



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