Re: Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)
Kristian Rink
mail at zimmer428.net
Mi Mai 13 19:38:59 UTC 2020
Hi Theo, *;
Am 13.05.20 um 14:46 schrieb Theo Schmidt:
> > Auch kürzlich war das RAID "schuld". Auf einem neueren Laptop liess sich
> kein Linux installieren und nicht einmal das Windows löschen, weil eine
> interne SSD mit der Festplatte zu einem Beschleunigungs-RAID verbunden
> waren, mit unerwarteten Eigenschaften.
>
Ah, sehr schön. Ich kenn diese Konstruktion, wir hatten eine Serie von
HP EliteBooks mit diesem Setup. Glücklicherweise sind die weitestgehend
ausgemustert mittlerweile... ;)
>
>> ...In Microsoft Azure kann ich mir performante und
>> hochverfügbare FLOSS-Umgebungen bauen...
>
> Vermutlich sind die Azure-Server mindestens im Land und nicht in den
> USA? Oder spielt das technisch fast keine Rolle mehr?
>
Naja, es hängt immer von den Use Cases ab, aber technisch spielt es mAn
selten wirklich eine Rolle. Zwei Punkte:
- Du kannst in Modellen wie Azure (das geht auch bei AWS oder Google
Cloud) *deutlich* leichter mit großer Hardware experimentieren. Storage
mit extrem schnellen SSDs für I/O-intensive Anwendungen? Server mit
vielviel RAM und CPUs für Last-Spitzen oder Anforderungen, die
kurzzeitig oder dauerhaft viel Ressourcen benötigen? Breitere
Internetanbindung, wenn mehr Nutzer auf dem System arbeiten und das
Netzwerk in die Knie geht? Alles kein Problem, prinzipiell. *Sicher:*
Dort brauchst Du auch bei Azure Geld, und diese Dinge sind *teuer*. Aber
insbesondere für vorübergehende Anforderungen sind sie billiger, als
sich vergleichbare Server selbst zu kaufen / zu finanzieren, den Prozess
(Zeit, Aufwand) des Einkaufs mal gar nicht mit gerechnet. Und: Bei
solchen Modellen (das kann auch unser Partner jetzt schon) kann ich
allmählich skalieren, wenn ich wachse. Bei unseren eigenen HP-Systemen
mit VMWare hatten wir turnusmäßig enorme "Sprung-Aufwände", weil mit dem
Erreichen der Hardwaregrenzen meist notwendig waren (a) neue Server, (b)
neue oder erweitere VMWare-Lizenzen und (c - im Allgemeinen schlimmster
Posten) Aufwand für Migration von Daten und Maschinen. Wenn Du vier
Dutzend große VMs und eine mittlere zweistellige Zahl an TB an
Live-Storage auf neue Hardware migrieren willst und kaum Downtime haben
darfst, ist das ein Projekt, das Dich eine ganze Weile beschäftigt. Über
Vergrößerung oder Ersatz einer Internet-Standleitung mit dem Ziel
schnellerer Anbindung reden wir in DE lieber gar nicht...
- Dadurch, dass die großen Anbieter international unterwegs sind, kannst
Du Dinge realisieren, die Du im Selfhosting oder mit "lokalen" Partnern
nicht hinbekommst. Eine unserer Schwesterfirmen sitzt in UK, sind um die
50 Leute und betreut Kunden in UK - und Hongkong. An letzterem Standort
war die Anforderung, dass die Server-Infrastruktur und die Daten vor Ort
zu stehen haben. In Selfhosting auch ein Großprojekt. Mit Azure haben
die Kollegen (die anders als wir sehr eng an dem ganzen Microsoft-Stack
hängen) faktisch die Dienste in der Admin-UI in die andere Zone
"geklickt" - problem solved. In unserem Markt ist Autodesk mit einer
Collaboration-Lösung (BIM Field 360) unterwegs, die vor einigen Jahren
mit viel Rummel angekündigt wurde - und von vornherein als "BIM 360
powered by Amazon AWS" und dem Subtext: "*Selbstverständlich* werden wir
als Autodesk für weltweit operierende Kunden *keine* eigenen Server
betreiben. Das ist nicht unser Kerngeschäft und viel zu aufwändig und
teuer - wir nutzen Amazon, die können das."
Persönlich bin ich nach wie vor der Freund regionaler Partner, bevorzugt
solcher, die annähernd gleich groß wie die eigene Organisation sind,
weil das gewisse Probleme verhindert, die man mit deutlich größeren
Lieferanten durchaus haben kann. Aber in diesem ganzen Dunstkreis habe
ich immer massiver die Sorge, dass der europäische IT-Sektor irgendwann
gänzlich irrelevant wird - weil wir hier teilweise Firmen haben, die in
2020 immer noch mit Low-Level-Dingen wie File- oder DB-Hosting
beschäftigt sind und in nahezu allen relevanten Bereichen überholt
werden von (leider vorrangig aus Übersee stammenden) Startups, die auf
den großen Cloud-Diensten aufsetzen und dort schnell "in die Gänge" kommen.
Um das einzufangen, braucht es nicht mehr Regularien wie die DSGVO,
obwohl diese Dinge auch ihre Berechtigung haben. Hier bräuchte es vor
allem eine klare Strategie, europäische Alternativen zu Azure, AWS, ...
zu fördern in geeigneten organisatorischen Strukturen, aber *genau*
derselben Skalierbarkeit und Reichweite. Dort könnte auch FLOSS wieder
helfen - Systeme wie eben OpenStack sind zumindest Open Source und
könnten hier eine solide, offene technische Grundlage bieten. Aber es
braucht "Akteure" (Firmen, große Genossenschaften, .....?), die daraus
ein Betriebsmodell bauen und entwickeln und das am "Markt" so weit
etablieren, dass es konkurenzfähig mit Azure wird. Dort passiert aus
meiner Sicht leider viel zu wenig...
Viele Grüße,
Kristian
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