Fragen zu Schuld und Scheitern

Theo Schmidt sus2006 at bluewin.ch
Fr Okt 27 09:26:13 UTC 2017


Am 26.10.2017 um 17:02 schrieb Dr. Michael Stehmann:
...
> Wäre der Umstand, dass das von Matthias angeführte
> (Kosten-)Argument von manchen Menschen, die man zur
> Freien-Software-Gemeinschaft zählen kann, verwendet wurde, "schuld"
> am "Scheitern" von Limux, wenn man ein "Scheitern" konstatieren
> müsste?

Zunächst, für mich ist Limux weder gescheitert, noch ein Erfolg (sonst
würde es nicht abgesetzt), sondern es wird einfach abgesetzt wegen
emotionalen politischen Entscheidungen der aktuellen
Entscheidungsträger, wie das eigentlich bei fast allen Geschäften der
Fall ist.

Das Kostenargument ist sicher nicht "schuld", aber es hängt da
natürlich mit drin. In Solothurn hatten wir ja was ähnliches. Die
Regierung hatte explizit ein *kostengünstiges* System *bestellt* und
gesagt, dass sie mit einer "80%-Lösung" zufrieden sei, d.h. mit einem
viel billigeren System, das 80% so viel leistet wie eine übliche
Luxuslösung. Und genau das hatte die Informatikabteilung geliefert. Da
der Kanton eine ganze Reihe von nur-Windows Fachanwendungen
mitschleppen musste und viele Regierungsmitglieder offenbar selber nie
das eigene kantonale Linux-system verwendeten, sondern bei Windows
blieben, war es natürlich besonders schwierig und es gab die üblichen
Inkompatibilitäten von Mischsystemen. Zudem kommunizierte die
Informatikabteilung nicht sehr geschickt, so dass wenige unzufriedene
User eine mediale und politische Schlammschlacht lancierten und
schlussendlich gewannen. So stelle ich mir das auch in München vor,
wobei da vermutlich noch mehr dazu kommt. Wenn der Bürgermeister von
einem Unterstützer zu einem Gegner wechselt, ist es natürlich
besonders schwierig.

Zusammenfassend: in Solothurn *hat* das verwendete System wie
gefordert massiv Kosten gespart, aber ausser in einer absoluten
Notlage spielen die Kosten in einer Verwaltung offenbar keine grosse
Rolle, und die Befindlichkeiten der Leute sind viel wichtiger, ob zu
Recht oder Unrecht spielt auch keine Rolle.

Ich sehe das auch hier in einer kleinen Organisation, wo ich einen
halben first-level Support biete: Das Linux-FOSS-System spart massiv
Kosten (hauptsächlich durch die lange Verwendung derselben Hardware),
aber diese spielen bei den guten Finanzen der Organisation überhaupt
keine Rolle. Was eine riesige Rolle spielt sind kleine Probleme der
User. Momentan z.B. arbeitet von den "grossen" Browsern einzig der
Browser Pale Moon ruckelfrei auf unseren Thin Clients, aber dieser
stürzt oft ab, wenn die Menuzeile verwendet wird. Wenn sich das nicht
in wenigen Tagen lösen lässt, will die Geschäftsführung neue Computer,
koste es was es wolle. Zwar noch mit Linux, aber die nächste
Geschäftsführung wird wohl Windows, etc. wählen, da sie dieses kennt,
und FOSS nur in Betracht käme, wenn es *perfekt* funktioniert, was ja
kaum möglich ist. Ein bisschen Ruckeln oder sonst so was wiegt in den
Augen der User viel stärker als z.B. die massiven Sicherheits- und
Datenschutzprobleme der üblichen proprietären Lösungen. Ein Limux oder
L...ux muss *viel* besser als Win/Mac funktionieren, um akzeptiert zu
werden, und zwar nicht prioritär "unter der Haube", sondern an der
Oberfläche, ganz wörtlich.

Viele Grüsse, Theo Schmidt






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