Schutz von Geschäftsmodellen (war: Re: Quiz: Wer sagt was - Wahlprüfsteine zu Freier Software)

Bernd Wurst bernd at bwurst.org
Do Mär 22 12:59:16 UTC 2012


Hallo.

Am 22.03.2012 12:27, schrieb Thomas Leske:
> Der Staat hat nicht die Aufgabe sicherzustellen, dass ein
> Geschäftsmodell funktioniert.

Wir leben in einer Marktwirtschaft. Dass der Staat aktiv ein
Geschäftsmodell am Leben hält ist eigentlich die Ausnahme. Die Aufgabe
des Staates ist es, die Praktiken zu unterbinden die in besonderem Maße
schädlich für die Gesellschaft sind.
Und so lange niemand gezwungen wird, bestimmte Produkte einzusetzen sehe
ich da nicht die erforderlichen Gründe für ein Verbot.


> In einer Marktwirtschaft gibt es außer der Vertragserfüllung keine
> "wirtschaftliche Pflicht". Ein Bäcker hat nicht die Pflicht, die
> Bevölkerung mit Brot zu versorgen, sondern darf seinen Laden jederzeit
> schließen.

Ein Unternehmen (spätestens als Aktiengesellschaft) hat eine
Verantwortung seinen Eigentümern gegenüber. Und die wirtschaftliche
Pflicht besteht darin mit möglichst geringem Einsatz möglichst hohen
Gewinn zu erzielen.

Das hat überhaupt nichts mit staatlich auferlegten Pflichten zu tun
sondern macht nur deutlich dass es ganz klar diese Bestrebung gibt und
(in einer Marktwirtschaft) immer geben wird.

Wie gesagt: Ob man das jetzt für sich gut findet oder ob man diese
Unternehmen unterstützt, steht auf einem ganz anderen Blatt.


> Genaugenommen hat natürlich kein Softwarehersteller ein Monopol. Nur die
> Markteintrittsschranken liegen sehr hoch. Statt "study and adapt to your
> needs" heißt es dann "start from scratch".

Genau. Aber das ist keine Besonderheit der Software-Sparte und
funktioniert doch in den meisten Wirtschaftsbereichen so. Willst du ein
Wörterbuch schreiben? Dann musst du vermutlich bei Null anfangen weil du
nicht auf dem Duden aufbauen darfst.

Der Vorteil bei Software gegenüber z.B. dem Maschinenbau ist doch, dass
du an die elementaren Grundlagen (Programmierkenntnisse) frei
herankommen kannst und die benötigten Geräte einen überschaubaren Preis
kosten. Es sind eine große Zahl von Compilern, Programmierumgebungen und
auch fertige Software-Biliotheken frei verfügbar. Es kann dich niemand
effektiv daran hindern eine freie Alternative zu jedem gewünschten Stück
Software zu schreiben.
(Patente mal außen vor gelassen.)


>> Wichtig ist doch nur, dass die Menschen diesen Umstand erkennen und sich
>> dann bewusst gegen Produkte solcher Hersteller entscheiden können.
> 
> Wenn es keine Freie-Software-Lösung gibt, werden 99% der Menschen an
> sich denken und zur unfreien Software greifen. Wäre unfreie Software
> verboten, könnten theoretisch 100% der potentiellen Kunden
> zusammenarbeiten, um eine Freie-Software-Lösung zu erstellen.

Gut, ein staatliches Verbot unfreier Software geht für meine Überzeugung
zu sehr in den Bereich "unrealistischer Kommunismus".

Es wäre doch schon viel gewonnen wenn die Gelder aller öffentlichen
Haushalte die jährlich für z.B. MS-Office ausgegeben werden in fähige
LibreOffice-Entwickler investiert würden.
Warum kann es Hersteller geben, die nur proprietäre Amts-Software
erstellen? Warum verlangt der Staat nicht, dass diese Software
freigegeben wird? Warum kann es sein, dass die Bundesfinanzverwaltung
eine öffentliche Programmier-Schnittstelle anbietet, die aus Prinzip
nicht mit freier Software zusammenarbeiten kann?
Dazu braucht es wirklich kein Verbot sondern nur eine konsequente
Gangart der Politik bzw. eine Dienstanweisung. Mir sind die Ausgaben die
die öffentlichen Haushalte tätigen sehr wichtig, staatliche Regulierung
des Marktes halte ich aber für den falschen Weg.

Ich fand das Verfahren EU gegen Microsoft eigentlich auch herzlich
peinlich unter der Sichtweise dass vermutlich über 90% der
EU-Parlamentarier damals mit genau dem beanstandeten Produkt
(Internet-Explorer) gearbeitet haben.

Gruß, Bernd

-- 
Skeptiker sind jene Menschen, die einfach nicht an die
friedliche Nutzung der Atombombe glauben wollen.
  -  Werner Mitsch (dt. Aphoristiker)



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