Offener Brief der Free Software Foundation Europe

Torsten Grote Torsten.Grote at fsfe.org
Mi Feb 17 15:20:19 UTC 2010


Sehr geehrtes Team des Elektrischen Reporters,

wir von der Free Software Foundation Europe verfolgen ihre Sendung schon seit 
Beginn der Phase 2 mit großer Begeisterung. Ihre Art, den Einfluss von 
Internet und moderner Technologie auf unsere Gesellschaft kurz, anschaulich 
und allgemeinverständlich darzustellen, trägt zu einem breiteren Verständnis 
dieser Themen in der Gesellschaft bei. Der elektrische Reporter gibt der 
Netzgemeinschaft eine Stimme in den Medien. Dies war längst überfällig und 
dafür wollen wir ihnen herzlich danken.

Jedoch bedauern wir, dass der in unseren Augen wichtige Aspekt der Freiheit 
der Nutzer und der Verteilung von Macht über Technologie bisher kaum Beachtung 
fand. Die neuen Möglichkeiten sind faszinierend und verändern unsere 
Gesellschaft fundamental. Doch die Frage, wer wie viel Macht über diese neuen 
Technologien hat, wird leider kaum gestellt.

Unsere US-Schwesterorganisation setzt sich seit 1984 und wir uns seit 2001 für 
die Freiheit in der Gesellschaft (für Computernutzerinnen, Unternehmen etc.) 
ein. Wir konzentrieren uns dabei in erster Linie auf Software, weil sie die 
Möglichkeiten von Technologie maßgeblich bestimmt. Wir sind davon überzeugt, 
dass jeder Software uneingeschränkt nutzen, studieren, teilen und 
verbessern/verändern können muss. (Diese Überzeugung stand auch Pate für die 
Creative Commons Lizenzen.) Damit wird Macht möglichst breit verteilt und 
demokratisiert. Fortschritt und Innovation kann von jedem ausgehen und hängt 
nicht von einzelnen (Firmen) ab. Hier Teilen wir auch die Kritik am Apple 
AppStore, gehen aber noch weiter. Es geht nicht nur darum beliebige Programme 
auf einzelnen Geräten installieren zu können, sondern auch darum 
technologische Möglichkeiten selbst gestalten und daran teilhaben zu können.

So wie die Netzgemeinschaft den Informationsfluss erzeugt und gestaltet, baut 
sie schon wesentlich länger an den technischen Werkzeugen (Software) und 
Paradigmen der vernetzten Zusammenarbeit, die alle anderen Arten der Teilhabe 
an der modernen Informationsgesellschaft erst ermöglichen. Hier liegt die 
große Bedeutung von Freier Software für die Gemeinschaft.
Je mehr Macht z.B. Twitter durch immer mehr Nutzerinnen erhält, umso 
einschneidender könnten eventuelle Eingriffe der Betreiber in das System sein. 
Die Freie Software StatusNet versucht Microblogging zu demokratisieren und 
dezentralisieren. Bekannstestes Beispiel hierfür ist Identi.ca. Ziel ist es, 
einen Dienst zu schaffen, den ein einzelner Betreiber nicht einfach bei Bedarf 
abschalten oder einschränken kann (wie das bei E-Mail oder mit Jabber bereits 
gelungen ist). 
Je wichtiger eine solche Plattform für die Gemeinschaft wird, umso wichtiger 
ist es, dass sie nicht in der Kontrolle einzelner weniger liegt.

Auch deshalb finden wir, dass Freie Software thematisch sehr gut in ihre 
Sendung passen würde, ja eigentlich gar nicht darin fehlen darf.
Daher würden wir uns freuen, wenn Sie dieses Thema verstärkt aufgreifen würden 
(u.a. als Thema einer ihrer späteren Sendungen). Für Fragen, weitere 
Erläuterungen und Interviews stehen wir ihnen selbstverständlich zur 
Verfügung.

Beste Grüße und herzlichen Dank für eine Sendung mit wahrer journalistischer 
Klasse.

Lena Simon
Torsten Grote
für die Free Software Foundation Europe

Weiterführende Informationen:
http://fsfe.org/documents/documents.en.html#Basics
http://www.fsf.org/about/what-is-free-software



Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de