Freie Lizenzen bei Nicht-Software (was: Freiheit bei anderen Werken)

Johannes Näder johannesnaeder at gawab.com
Di Apr 13 23:28:39 UTC 2010


Hallo Bernhard, Volker, Matthias & al.,

Am Dienstag 13 April 2010 18:00:10 schrieb Bernhard Reiter:
> Die Zusammenfassung mag den Stand der Diskussion wiedergeben.
> Ich schliesse mich den Ratschlägen jedoch nicht an.

ich verstehe den Text nicht als Zusammenfassung, sondern in erster Linie als 
Volkers Positionsbeschreibung. Aber Volker hat ja auch angekündigt, sein Text 
werde persönlich gefärbt sein, und eine "Entfärbung" würde seiner Arbeit 
wirklich Gewalt antun.

Mit deinen Anmerkungen, Bernhard, stimme ich weitgehend überein. Ergänzen will 
ich einen Punkt, den ich in dieser Diskussion für konstitutiv halte.
Wir haben versucht, zwischen Freier Software und sonstigen Freien Inhalten 
anhand der gesellschaftlichen Relevanz ihrer Freiheit zu differenzieren. Ein 
weiteres Kriterium ist, dass es sich hier zum Teil um eine kategorial 
unterschiedliche Art von "Inhalten" handeln kann: Bei Nicht-Software werden 
wir es sehr oft mit "Werken" zu tun haben, bei denen Ästhetisches im 
Vordergrund steht, nicht Funktionales, Informatives oder Deskriptives; mit 
Kunst im weitesten Sinne also.

Kunst widerstrebt aber ihrer Funktionalisierung und lässt sich nicht anhand 
des gesellschaftlichen Nutzwerts ihrer Verfügbarkeit auf die eine oder andere 
Weise beurteilen. Kunst vermag Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in 
kritischer Distanz zu reflektieren - solange ihr eine völlig andere Freiheit 
zugestanden wird, die sich nicht durch die Prädikate "CC-BY" oder "CC-BY-NC" 
beschreiben lässt. Druck oder Zwang in Richtung diesen oder jenen 
Publikationsmodells schränken die Kunstfreiheit ein. Mehr noch: Sie ersetzen 
(im Extremfall) das Konzept des individuellen Werks durch das des kollektiven 
Samples - das sind Eingriffe enormer Tragweite, mit denen Autor- und 
Werkbegriff, aber auch die ästhetische Reflexivität in Frage stehen.

Ich bin dafür, hier auf keinen Fall unzureichend überlegte Schritte auf 
fremdes Terrain zu gehen. Wir plädieren für Freie Software (und freie 
Standards). In diesem Bereich haben wir Kompetenz, wohlüberlegte theoretische 
Positionen und einen erheblichen praktischen Erfahrungsschatz. Wir können 
sicher und fundiert argumentieren. Dies ist unser gemeinsame Nenner.

Welche Freiheiten im Kontext digitaler Nicht-Software-Inhalte notwendig oder 
sinnvoll sind und wo dort möglichweise Verwerfungen durch kollidierende 
Freiheiten auftreten, bedarf einer tieferen und breiteren gesellschaftlichen 
Debatte, die wir hier aus meiner Sicht nicht leisten können.

Beste Grüße
Johannes



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