[FSFE PR][DE] Aus der Krise lernen: Digitale Zivilgesellschaft stärken!

Alexander Sander alex.sander at fsfe.org
Mi Apr 1 06:47:22 UTC 2020


Pressemitteilung | Aus der Krise lernen:
Digitale Zivilgesellschaft stärken!


Mittwoch, 01. April 2020.

Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für eine unabhängige
digitale Infrastruktur und freien Zugang zu Wissen einsetzen, fordern
wir: „Der Aufbau eines gemeinwohlorientierten digitalen Ökosystems muss
endlich politische Priorität bekommen!“

In Krisensituationen zeigt sich die Bedeutung von unabhängigen und
belastbaren digitalen Infrastrukturen, die es Menschen, Organisationen
und Firmen ermöglichen, ihren alltäglichen Aufgaben nachzukommen. Von
den Umstellungen zur Eindämmung von Covid-19 haben bislang vor allem die
großen Technologiekonzerne profitiert: Die Verlagerung des Lebens in die
digitale Sphäre beschert ihnen größere Marktanteile, Nutzungszahlen und
Datensammlungen. Um in Krisenzeiten nicht von ihnen abhängig zu sein,
braucht es ein aktives digitales Ökosystem, das echte Wahlmöglichkeiten
bietet. Software und dezentrale Plattformen ohne kommerziellen
Hintergrund stammen oft aus gemeinwohlorientiertem Engagement. Nicht nur
Unternehmen und Selbständigen bricht gerade die Finanzierung weg,
sondern auch ehrenamtlich getragenen Organisationen. Wichtige Teile
unserer digitalen Infrastruktur beruhen auf ihrer Arbeit. Für sie gibt
es aber kein milliardenschweres Hilfspaket.

Um besser vorbereitet zu sein für zukünftige Krisensituationen, muss
ihre Arbeit gestärkt werden. Das Gute ist: Es gibt bereits ein
weitreichendes Netz an Menschen und Organisationen, die gemeinsam an
dezentraler und damit widerstandsfähiger digitaler Infrastruktur
arbeiten und so die Grundlage dafür schaffen, dass wir in der nächsten
Krise besser aufgestellt sind. Sie arbeiten an freiem Zugang zum
Internet wie die Initiativen für freie Funknetze, der Bereitstellung von
sicheren Kommunikationswegen, Angeboten zu Freiem Wissen bis hin zu
Open-Data- und Freien-Software-Anwendungen. Bisher erhalten sie dafür
noch nicht genug Unterstützung von öffentlicher Seite. Jetzt liegt es an
der Politik, auf sie zuzugehen und sie zu unterstützen.

Um langfristig und damit nachhaltig zivilgesellschaftliches Engagement
und den Erhalt eines gemeinwohlorientierten digitalen Ökosystems zu
fördern, schlagen wir folgende konkrete Maßnahmen vor – denn nach der
Krise ist vor der Krise, wenn alles beim Alten bleibt:

Öffnung der Digitalpolitik für gesellschaftlichen Input

Digitalpolitik, die das Gemeinwohl ins Zentrum stellt, lässt sich nur
gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteurinnen, Akteuren und Initiativen
verwirklichen. Hierfür muss sich die Politik noch weiter für Vorschläge
aus der Gesellschaft öffnen und diese in die Politikgestaltung
miteinbeziehen. Dazu braucht es die Anerkennung zivilgesellschaftlicher
Expertise und ein klares Bekenntnis, deren Wissen und Kompetenzen zu nutzen.

Gezielte Förderung

Die digitale Zivilgesellschaft ist nur durch das ehrenamtliche
Engagement und die Spenden von Bürgerinnen und Bürgern arbeitsfähig.
Gerade in Krisensituationen brechen diese Stützpfeiler schnell weg und
bedrohen die Existenz von Vereinen, Stiftungen und Initiativen. In
Deutschland mangelt es an niedrigschwelliger finanzieller Unterstützung
für Organisationen und Sozialunternehmen aus der digitalen
Zivilgesellschaft. Es braucht neue Fördermechanismen, die den Aufbau
nachhaltiger Strukturen unterstützen undnicht nur Innovation im Blick
haben,sondern auch die Instandhaltung und Weiterentwicklung bestehender
Technologien. Möglich wäre eine solche Förderung beispielsweise durch
eine vom Bund geförderte Stiftung öffentlichen Rechts, die Entwicklung,
Wartung und Bereitstellung digitaler Technologien für die Gesellschaft
fördert.

Öffentliches Geld, Öffentliches Gut

Es braucht rechtliche Grundlagen, die es verpflichtend machen, dass mit
öffentlichen Geldern erarbeitete Inhalte offen zugänglich und
weiterverwendbar gemacht werden. Der Datenschutz muss dabei immer
gewahrt sein. Dazu gehören: öffentlich finanzierte Software,
Datenbestände und Informationen öffentlicher Stellen, Forschungs- und
Bildungsinhalte öffentlich getragener Institutionen sowie die Inhalte
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Entwicklung öffentlicher digitaler Infrastruktur

Wir empfehlen kontinuierliche staatliche Investitionen in die
Entwicklung und Instandhaltung digitaler Infrastruktur und den Aufbau
widerstandsfähiger Netze. Wir fordern die Förderung von
Dezentralisierung und einem breiten Ökosystem von Betreibern digitaler
Infrastruktur, um digitale Souveränität zu erlangen und Abhängigkeiten
von einzelnen Anbietern aufzulösen, durch den Abbau von
Betreibermonopolen sowie dem konsequenten Einsatz von offenen Standards,
Freier- und Open-Source-Software-Technologien.


Erstunterzeichnende Organisationen:
Chaos Computer Club, Digitale Gesellschaft e. V.,
D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V.,
Epicenter.Works,
Free Software Foundation Europe,
Stiftung Neue Verantwortung e. V.,
Superrr Lab,
Wikimedia Deutschland e. V.

„Eine unabhängige und zuverlässige digitale Infrastruktur ist auch eine
Frage der sozialen Gerechtigkeit. Denn der Zugang zu Wissen und
digitalen Werkzeugen entscheidet, wer in Zukunft mitgestalten kann und
wer abgehängt wird.“
Elisa Lindinger & Julia Kloiber, Geschäftsführerinnen, Superrr Lab

„Gute Digitalpolitik und digitale Infrastruktur für die Gesellschaft
kann nur gemeinsam mit ihr erfolgreich entwickelt und gestaltet werden.“
Stefan Heumann & Anna Wohlfarth, Vorstand, Stiftung Neue Verantwortung e. V.

„Gemeinnützige Projekte wie Wikipedia und Freifunk helfen gerade jetzt,
dass alle Zugang zu Informationen erhalten. Gefördert wird dies bisher
kaum. Die Zeit ist gekommen, unsere digitalen Abwehrkräfte zu stärken.“
Abraham Taherivand, Geschäftsführender Vorstand, Wikimedia Deutschland e. V.

„Gerade in dieser Krise sehen wir, wie wichtig es ist, die rechtliche
Grundlagen zu schaffen, die es erfordern, dass mit öffentlichen Geldern
entwickelte Software unter einer Freie-Software- und Open-Source
Lizenz veröffentlicht wird.“
Alexander Sander, Policy Manager, Free Software Foundation Europe

„In Krisen wird erst recht deutlich, wie wichtig zivilgesellschaftliche
Organisationen sind, die Digitalisierung kritisch begleiten, freien
Zugang zu Wissen ermöglichen und Ideen für eine digitale Infrastruktur
entwickeln.“
Elke Steven, Digitale Gesellschaft e.V.


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