[FSFE PR][DE] Stellungnahme zu Freier Software in deutschem OGP-Aktionsplan veröffentlicht

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Di Mär 28 11:24:54 CEST 2017


 = Stellungnahme zu Freier Software in deutschem OGP-Aktionsplan veröffentlicht =

[ Online lesen: https://fsfe.org/news/2017/news-20170328-01.de.html ]

Heute hat die Zivilgesellschaft Arbeitskreis OGP Deutschland seine
Stellungnahme zu einem deutschen OGP-Aktionsplan veröffentlicht [1].
Ziel der Open-Government-Aktionen ist es, Transparenz,
Bürgerfreundlichkeit, Berichte und Effizienz von Regierungen und der
öffentlichen Verwaltung zu verbessern. Die Stellungnahme, die bereits am
20. März der deutschen Bundesregierung übergeben wurde, besteht aus 30
Themen rund um Open Government, unter anderem auch zu Freier Software.

Im Dezember 2016 ist Deutschland der Open Government Partnership
beigetreten. Bis Juni 2017 muss ein Aktionsplan für Deutschland
erarbeitet werden und von der Bundesregierung verabschiedet werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, lud die Bunderegierung am 17. Februar
Vertreter der Zivilgesellschaft zu einer Tagung ein, bei der Ideen für
einen deutschen Aktionsplan für die kommenden beiden Jahre gesammelt
wurden. Nach dem Workshop entwickelten die Zivilgesellschaftsgruppen die
Vorschläge bis zur heutigen Veröffentlichung weiter. In den kommenden
Wochen werden die deutschen Ministerien die verschiedenen Vorschläge
prüfen, intern beraten und einen nationalen Aktionsplan mit konkreten
Zielen entwerfen. Danach gibt es eine weitere Tagung für die Verwaltung
und die Zivilgesellschaft, auf der die Ziele besprochen werden (siehe
zeitlicher Ablauf für den Aktionsplan der Bundesregierung [2] ).

Der OGP-Aktionsplan betrifft nicht nur die Bundesregierung sondern auch
die Verwaltung der Bundesländer und der Kommunen.

 == Stellungnahme der Zivilgesellschaft zu Freier Software/Open Source Software ==

Die Free Software Foundation Europe erarbeitete gemeinsam mit anderen
Freien-Software-Organisationen und dem Arbeitskreis OGP Deutschland eine
Zusammenfassung des Themas Freie Software im Hinblick auf Open Goverment
und wir entwickelten gemeinsam konkrete Ziele für die Regierung.

Wir hoffen die Veröffentlichung ermöglicht es Aktivisten der
Zivilgesellschaft auf der ganzen Welt mehr über die OGP-Diskussion zu
erfahren, Vorschläge an die Bedingungen anderer Länder anzupassen und
weitere Beiträge zur Debatte in Deutschland einzubringen.

 === (Das vollständige Dokument mit allen Vorschlägen ist auf der Webseite des Arbeitskreis OGP verfügbar [3].)  Einführung in das Themenfeld ===

    Open Government bietet die Chance, staatliches Handeln nachhaltiger
    und nachvollziehbarer für die Menschen des Landes zu gestalten.
    Offene Software erreicht das mit Freier/Offener Lizenzierung [1],
    die sich international als Standard bewährt hat. Die "Open
    Government Toolbox" versammelt heute 1298 IT-Projekte von 523
    Organisationen für die Umsetzung von Open Government. Die Bandbreite
    dieser beeindruckenden Sammlung zeigt, wie viel Potential in Open
    Government Software steckt. Von Datenvisualisierung über
    Mitbestimmungstools bis hin zu Werkzeugen für lokale städtische
    Initiativen sind zahlreiche Projekte für Verwaltung und
    Zivilgesellschaft bereits frei zugänglich.

- *Wiederverwertung*: Offene Software kann für verschiedenste Zwecke
  eingesetzt und wiederverwertet werden. Einmal in staatlichem Auftrag
  entwickelter Software-Code darf von anderen Verwaltungen bei ähnlichen
  Problemstellungen genutzt werden. Prominentes Beispiel dafür ist "Fix
  my Street": ursprünglich in Großbritannien zur Meldung von
  Straßenschäden entwickelt wird es heute in der Schweiz, Irland,
  Malaysia, Norwegen, Schweden, Uganda und Uruguay eingesetzt. Alle
  profitieren von der zunehmenden Verbreitung, da entwickelte
  Erweiterungen und Nutzungserfahrungen aus einzelnen Ländern allen
  anderen Ländern zugänglich sind.

- *Unabhängigkeit*: Der Einsatz von Offener Software gibt der
  öffentlichen Hand mehr Handlungsfreiheit bei der Auftragsvergabe und
  der Wahl von Partnern. Ein strategischer "Lock-In", also eine
  Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern, wird vermieden, weil ein
  Wettbewerber den bisher erstellten Code weiterpflegen kann.

- *Plattformneutralität*: Mit offenen Standards und offenen
  Schnittstellen kann eine Plattformneutralität erzielt werden, um sich
  aus Abhängigkeiten einzelner Anbieter zu befreien und jederzeit den
  Dienstleister austauschen zu können.

- *Transparenz*: Während herkömmliche Government Software unter
  proprietären Bedingungen oftmals als Blackbox undurchschaubar bleibt,
  ist der Quellcode von Open Government Software grundsätzlich immer
  einsehbar.

- *Teilhabe*: Der offene Quellcode in Kombination mit einer Freien
  Lizenz ermöglicht Synergien von staatlichen Stellen mit
  Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Bürgern. Staatlich bereitgestellte
  Software kann von verwaltungsexternen Akteuren weiterentwickelt und
  genutzt werden - und anders herum. Staatlich initiierte Open
  Government Software-Projekte sind so die Initialzünder für
  gemeinschaftliche Projekte, in denen unterschiedliche Perspektiven von
  Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Bürgern zusammen kommen.

    Zur Umsetzung des Open Government Fahrplans wird auch neue Software
    erstellt werden. Open Government Software sollte stets unter einer
    geeigneten Freien/Offenen Lizenz[1] zugänglich sein, um
    Wiederverwertung und das Teilen von Lösungen zwischen Behörden,
    Unternehmen und Bürgern zu ermöglichen.

 === Unsere Vision bis 2030: ===

    Bundes-, Landes- und kommunale Verwaltungen teilen ihre Software-
    Lösungen mit anderen Verwaltungen, mit Unternehmen und der
    Zivilgesellschaft. Bei neuen Lösungen können die Akteure auf einen
    Baukasten bereits bestehender Lösungen zugreifen, diese Lösungen
    wiederverwerten, verbessern und diese Verbesserungen wieder mit
    allen teilen. Alle diese Lösungen garantieren eine Verwendung
    unabhängig von der verwendeten Plattform. Keine Bürger, keine
    Unternehmen oder keine Verwaltungen sollen technisch diskriminiert
    werden. Diese deutschen Software-Lösungen genießen bei staatlichen
    Organisationen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und
    Wirtschaftsunternehmen im In- und im Ausland einen hervorragenden
    Ruf. Sie werden gerne eingesetzt und weiter in verteilten
    Programmierverbünden entwickelt. Daraus ergeben sich ein
    Investitionsschutz und eine höhere Nachhaltigkeit von Software für
    den öffentlichen Sektor, die auch dann von Dritten weiter entwickelt
    wird, selbst wenn einzelne deutsche Verwaltungsbehörden sich später
    für andere Lösungen entscheiden.

 === Weiterführende Quellen: ===

- [1] Freie/Open Source Lizenzen: Siehe die Liste der Free Software
  Foundation [4] und der Open Source Initiative [5]

- OGP Toolbox [6]

- EU Joinup Lösungen [7]

- USA Portal Code.Gov [8]

- UK: Beispiel einer Umsetzung [9]

- Fixmystreet UK [10] - Fixmystreet OGS [11]

- EUPL [12]

- Einführung der FSFE in "Software Freiheit" [13]

 === Vorschläge für max. vierzeilige Commitments aus dem Workshop für den NAP-Zweiseiter ===

- Ebene 1: Verfahrensvorschläge zur Prozessorganisation   Einrichtung
  einer Fachgruppe von Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zu
  Wiederverwertung und Teilen von freier Software für Staat und
  Verwaltung (Re-use and Share OSS), damit mindestens zweimal im Jahr
  ein verwaltungsinterner Austausch stattfinden kann, um das Themenfeld
  Open Source Software verwaltungsebenenübergreifend zu verstehen und
  schrittweise zu erschließen. Durch diese Fachgruppe sollen auf Seiten
  der öffentlichen Verwaltung Mitarbeiter als Gestalter und
  Thementreiber aufgebaut sowie Unterstützer in allen Ebenen gefunden,
  gefördert und eingebunden werden, um mehr Software der Verwaltung zu
  teilen und weiterzuverwerten.

- Einrichtung eines Arbeitskreises von Verwaltung (Fachgruppe),
  Zivilgesellschaft und Unternehmen zu Wiederverwertung und Teilen von
  freier Software für Staat und Verwaltung (Re-use and Share OSS), damit
  mindestens zweimal im Jahr ein fachlicher Austausch stattfinden kann,
  um einander zuzuhören und um Impulse der Zivilgesellschaft zur
  konzeptionellen Weiterentwicklung zu bekommen. Eine enge Anbindung
  dieses Arbeitskreises an die entsprechende Fachgruppe der Verwaltung
  sichert einen Wissenstransfer von neuen Erkenntnissen und aktuellen
  Entwicklungen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft in die
  öffentliche Verwaltung und indirekt in die Politik.

- Beauftragung einer Studie zur wissenschaftlichen Grundlagenforschung
  über Softwarekooperation der öffentlichen Verwaltung bei Verwendung
  freier/offener Software bis Dezember 2018 unter Berücksichtigung von
  Anwender- und Entwicklervereinigungen aus der Wirtschaft, damit der
  nationale und der internationale Stand von Wissenschaft und Praxis
  reflektiert, das Gestaltungspotential mit Hilfe von Workshops
  (Collaborative Design) skizziert und so die relevanten Perspektiven
  für Umsetzungsvorschläge im Rahmen des zweiten Nationalen Aktionsplans
  bereits vorliegen.

- Durchführung von zwei "Plug Fest" [14] Veranstaltungen als Open
  Collaborative Workshops bis 2018 in Deutschland, um Fachabteilungen
  aus Behörden und Anbieter von Dokumentverarbeitungslösungen in einen
  technischen Dialog zu Dokumentaustauschformaten zu bringen. Mit diesem
  Multistakeholder-Veranstaltungsformat haben bereits viele Länder
  Europas gute Erfahrungen zur Stärkung der Interoperabilität gemacht.

- Beauftragung einer Wissenschaftlichen Studie über Offene Standards und
  Offene Schnittstellen in der öffentlichen Verwaltung (inkl. offener
  Dokumentenformate) bis Juni 2018, damit der nationale und der
  internationale Stand von Wissenschaft und Praxis (Deutschland: SAGA
  5.1.0, EU, Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien, Niederlande)
  reflektiert, das Gestaltungspotential mit Hilfe von Workshops
  (Collaborative Design) skizziert und so die relevanten Perspektiven
  für Umsetzungsvorschläge im Rahmen des zweiten Nationalen Aktionsplans
  bereits vorliegen.

- Beauftragung einer Evaluationsstudie über die Barrierefreiheit und
  Plattformneutralität der öffentlichen Webdienste von Bundesbehörden
  bis Januar 2018, damit wir Transparenz darüber erlangen, inwiefern
  Behörden-Webseiten auf Bundesebene bestimmte Nutzergruppen technisch
  diskriminieren und geräteübergreifend einsetzbar sind. Auf der Basis
  der Evaluation werden zeitgleich Best Practices vorgestellt und
  Grundprinzipien als Empfehlung für die Gestaltung barrierefreier und
  herstellerneutraler Webseiten für Behörden und öffentliche
  Institutionen präsentiert.

- Ebene 2: Konkrete legislative Schritte und Ordnungserfordernisse
  Festschreibung des EU ISA2-Prinzips der Plattformneutralität in der
  Beschaffung von Web-Dienstleistungen bis 2019, damit Bürgerinnen und
  Bürger unabhängig von der von ihnen verwendeten marktüblichen
  Zugangstechnologie (Betriebsysteme: MAC OS, Linux, Windows, Android /
  Browser: Firefox, Chrome, IE, ... / Hardware: Tablet, Desktop-PC,
  Smartphone, Thin Internet Client) die Behördendienste verwenden
  können.

- Vorschlag eines Gesetzes über die Einrichtung eines Nationalen
  Software Archivs bis Sommer 2019, in dem geregelt wird, an welcher
  Stelle deutsche Behörden und Anbieter, den Quellcode, Dokumentation,
  Schnittstellen-Spezifikationen und Datenbankschemata von allen
  behördlich eingesetzten Softwarelösungen hinterlegen und
  langzeitarchivieren sollen. Dies ermöglicht Sicherheitsüberprüfungen
  und den Erhalt des Digitalen Kulturerbe unseres Landes.

- Ebene 3: Minimale Maßnahmen ("Pflichtprogramm")   Software, welche im
  Rahmen der Umsetzung des OGP Aktionsplans entwickelt oder beauftragt
  wird, soll grundsätzlich Freie/Offene Software Komponenten
  wiederverwerten, unter einer freien/offenen Lizenz auf der EU-
  Software-Plattform Join-up [15] und der "OGP Toolbox" [16] anderen
  Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft verfügbar gemacht
  werden.

- Kapazitätsbildende Maßnahmen zur Teilnahme von Deutschland bei der
  Weiterenwicklung des Free/Open Source Software Contributor Policy
  Template beim OGP [17] (Bulgarien, Frankreich, Großbritannien und die
  USA haben sich dazu bereits verpflichtet.).

- Evaluation bis Mitte 2018 welche Software, die bei bei der Umsetzung
  des Aktionsplan des IT-Planungsrats für das Jahr 2017 enstand, bis
  2019 in der Open Government Toolbox unter einer Freien/Offenen Lizenz
  verfügbar gemacht werden kann. (Siehe Aktionsplan [18] )

- Bund, Länder und Kommunen sollen Information von Kooperation von
  Behörden und anderen Akteuren bei Software-Lösungen zum Teilen und
  Wiederverwerten an das EU-Portal Joinup zur Veröffentlichung
  übermittelt werden, um diese Art der Zusammenarbeit bekannter zu
  machen und andere Akteure zur Mitarbeit zu bewegen.

  1: https://opengovpartnership.de/2017/03/2069/
  2: http://www.verwaltung-innovativ.de/DE/Internationales/OGP/zeitlicher_ablauf/zeitlicher_ablauf_node.html
  3: https://opengovpartnership.de/files/2017/03/170323_Zivilgesellschaftliche_Empfehlungen_NAP_OGP.pdf
  4: https://www.gnu.org/licenses/license-list.en.html
  5: https://opensource.org/licenses/category
  6: https://ogptoolbox.org/en/
  7: https://joinup.ec.europa.eu/interoperability/search
  8: http:///code.gov
  9: https://www.gov.uk/service-manual/technology/making-source-code-open-and-reusable
 10: http://fixmystreet.com/
 11: http://fixmystreet.org/
 12: https://joinup.ec.europa.eu/community/eupl/og_page/european-union-public-licence-eupl-v11
 13: https://fsfe.org/about/basics/freesoftware.html
 14: http://plugfest.opendocumentformat.org/
 15: https://joinup.ec.europa.eu/
 16: https://ogptoolbox.org/de/
 17: https://github.com/DISIC/foss-contrib-policy-template
 18: http://www.it-planungsrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/Entscheidungen/21_Sitzung/20_Anlage1_Aktionsplan.html

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