[FSFE PR][DE] FSFE: Eine erste Stellungnahme zu Microsofts neuen Shared-Source-Lizenzen

Joachim Jakobs press at fsfeurope.org
Don Okt 20 09:37:55 CEST 2005


FSFE: Eine erste Stellungnahme zu Microsofts neuen Shared-Source-Lizenzen

"Da wir so selten die Gelegenheit haben, uns positiv über Microsoft zu
äußern, möchte ich dem Unternehmen zunächst gratulieren", sagt Georg Greve,
Präsident der Free Software Foundation Europe. "Microsoft scheint
endlich einen Schritt dabei vorwärts gemacht zu haben, ihren Nutzern
Freiheit einzuräumen: unsere erste flüchtige Analyse deutet darauf hin,
dass zwei der fünf veröffentlichten Lizenzen die Definition Freier
Software tatsächlich erfüllen."

Nach einem ersten Blick der FSFE scheint sowohl die "Microsoft
Permissive License" (Ms-PL) als auch die "Microsoft Community
License" (Ms-CL) die vier Freiheiten zu gewähren, die durch Freie
Software definiert werden. Insbesondere scheint die Ms-CL eine Variante
der Copyleft-Idee zu enthalten, die als erstes in der GNU General Public
License (GPL) umgesetzt wurde.

In Anbetracht der Tatsache, dass Microsoft den Copyleft-Ansatz und
insbesondere die GPL als "viral", "Krebsgeschwür" und "kommunistisch"
bezeichnet hat, ist es eine wesentliche Entwicklung, dass Microsoft
jetzt Lizenzen veröffentlicht, die den gleichen Prinzipien folgen.

Naturgemäß ist es nicht die Veröffentlichung von Lizenzen, sondern die
Veröffentlichung von Software unter einer Freien-Software-Lizenz, die
den Menschen Freiheit einräumt.

Es ist allerdings von keinen großen Nutzen, wenn jedes Unternehmen, jede
Behörde oder jeder Autor ihre eigenen Lizenzen veröffentlichen; deshalb wäre 
es vorzuziehen gewesen, wenn Microsoft sich entschieden hätte, die GNU 
General Public License (GPL) und die Lesser General Public License (LGPL) für 
sein Shared-Source-Programm zu verwenden.

Weit mehr als 50% der Freien Software weltweit wird unter diesen
Lizenzen veröffentlicht, sie sind bekannt und die Menschen vertrauen
ihnen aus gutem Grund.

"Microsoft ist einen langen Weg gegangen und ist nur noch Zentimeter von
der GNU (L)GPL entfernt: Wir verstehen voll und ganz, dass Microsoft
zunächst der Gemeinschaft der Freien Software nur einen kleinen Finger
reicht", fährt Greve fort. "Aber wir würden wir es vorziehen, wenn Microsoft 
mit der Zeit in die große globale Gemeinschaft der kommerziellen 
(L)GPL-Anbieter eintritt.

"Fürs Erste mag es in Ordnung sein, wenn Microsoft damit anfängt, seine
Produktpalette unter die Ms-PL oder die Ms-CL zu stellen; aber wir
müssen die Menschen warnen, mit dem "Shared Source"-Etikett Vorsicht
walten zu lassen und die jeweiligen Lizenzen genau zu betrachten: Die
drei anderen Lizenzen des Shared-Source-Programms sind eindeutig
proprietär und keine Freie Software" schließt Greve.

Die Free Software Foundation wird mehr Zeit brauchen, jede dieser
Lizenzen und ihr Zusammenspiel mit anderen Lizenzen genauer zu prüfen,
deshalb ist dies keine endgültige Bewertung -- und eine abschließende
Bewertung kann Probleme zu Tage fördern, die auf den ersten Blick nicht
ersichtlich waren.

Microsoft muss nach dem Eindruck der FSFE noch einen weiten Weg gehen, aber 
fürs Erste habe es einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, und die 
Free Software Foundation Europe hofft, dass es diesen Weg weitergeht.

Über die Free Software Foundation Europe

   Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige
   regierungsunabhängige Organisation, die sich allen Aspekten der
   Freien Software in Europa widmet.  Zugang zu Software
   entscheidet, wer wie an der digitalen Gesellschaft teilnehmen
   kann. Daher erlauben die Freiheiten, Software zu verwenden, zu
   kopieren, zu ändern und weiterzuverteilen, wie sie in der
   Definition der Freien Software beschrieben werden, gleiche
   Chancen im Informationszeitalter. Diese Problematik ins
   öffentliche Bewusstsein zu rücken und durch Unterstützung der
   Entwicklung Freier Software die Freiheit der Menschen zu
   gewährleisten, sind die Kernanliegen der FSFE, welche im Jahr
   2001 als Schwesterorganisation der amerikanischen FSF gegründet
   wurde.

   Weitere Informationen: http://www.germany.fsfeurope.org