[FSFE PR][DE] Softwarepatente - Risiko für "Basel II" - FSFE schreibt offenen Brief an Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

Free Software Foundation Europe (FSFE) press at fsfeurope.org
Die Feb 8 17:33:25 CET 2005


        "Basel II" sind Empfehlungen zur Berechnung und Bewertung von
        Kreditrisiken. Sie wurden von Zentralbanken rund um den Globus
        unter der Federführung der Bank für internationalen
        Zahlungsausgleich im schweizerischen Basel entwickelt. 
        
        Herr Nout Wellink ist Vorsitzender des Verwaltungsrat und
        Präsident der Bank für internationalen Zahlungsausgleich.

Sehr geehrter Herr Wellink,

in unserem offenen Brief [1] an Herrn Diekmann, dem Vorstand der Allianz
Versicherung, haben wir erklärt, daß Softwarepatente [2] massive Kosten
verursachen und eine Gefahr für alle informationsintensiven Unternehmen 
- wie die Finanzdienstleister - darstellen.

Softwarepatente schaffen Monopole auf abstrakte Ideen. Diese Ideen sind
für viele Leute von Relevanz und die Monopole lassen sich ebenfalls von
Leuten verwenden, welche gar keine Software entwickeln; nur eine
Rechtsabteilung ist nötig. Ähnlich wie ein aufwendiges Softwareprojekt
besteht Basel II aus einer Vielzahl an Ideen, jede davon könnte von
jedem monopolisiert werden. Wenn Sie z.B. die Datenbank des
US-amerikanischen Patent und Markenamts (USPTO) abfragen, werden sie
feststellen, dass bereits 180 Patente [3] auf Softwareideen bestehen,
die sich mit "credit risk" befassen -- dem zentralen Punkt von Basel II.
    
Für keines dieser Patente gibt es eine Pflichtlizenzierung. Der
jeweilige Patentinhaber alleine bestimmt, zu welchen Bedingungen er den
Gebrauch seines Monopols gewährt oder aber verweigert.

Jede softwaretechnische Umsetzung von Basel II beruht aber natürlich auf
einer Vielzahl von Standardkomponenten, wie Dateiserver, Datenbanken,
Übertragungsprotokollen und vieles mehr. Jedes dieser Teile ist
gleichermaßen von Softwarepatenten betroffen. Die Anzahl der
Möglichkeiten, ein Computersystem sicher zu gestalten, sind aber
begrenzt. Dies könnte für Basel II bedeuten, dass die Funktionen auf
einer bereits als unsicher geltenden Basis implementiert werden müssen.

Ab dem Zeitpunkt, ab dem Softwarepatente eine Rechtsgrundlage in Europa
haben, ist ein dramatischer Anstieg von Klagen im Bankgewerbe
wahrscheinlich. Jede Bank oder jedes Unternehmen, das Software zum
Management seiner Kreditrisiken nutzt, könnte ein Ziel solcher Prozesse
werden -- dieses Risiko ist unkalkulierbar und könnte mit 
Rechtsstreitigkeiten in Milliardenhöhe enden.

Viele Banken sind sich weiterhin dieser Gefahr nicht bewußt. Sie haben
nicht verstanden, dass Softwarepatente sie in diesem Ausmaß beeinflussen
werden. Als wir vor kurzem mit einer Bank in Deutschland sprachen, war
diese geschockt, als sie erkannte, was Softwarepatente für ihr Geschäft
bedeuten: "Das könnte unser Geschäft nachhaltig stoeren!"

Softwarepatente werden zu einem drastischen Rückgang der Innovationsrate
führen und generell die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Wirtschaft
schädigen. Und für Sie bedeuten Softwarepatente die Einführung eines
unkalkulierbaren Risikos, das große Schäden anrichten kann.

Deshalb bitten wir Sie, Ihre Interessen zu schützen und gegen
Softwarepatente vorzugehen. Falls Sie weitergehende Fragen haben, wenden
Sie sich gerne an uns.
    
Mit freundlichen Grüßen,
Georg Greve
Free Software Foundation Europe, Präsident
    
[1] http://fsfeurope.org/projects/swpat/letter-20041004.en.html
[2] http://fsfeurope.org/projects/swpat/swpat.en.html
[3]
http://patft.uspto.gov/netacgi/nph-Parser?Sect1=PTO2&Sect2=HITOFF&p=1&u=%2Fnetahtml%2Fsearch-bool.html&r=0&f=S&l=50&TERM1=%22credit+risk%22&FIELD1=&co1=AND&TERM2=&FIELD2=&d=ptxt

-- 
Joachim Jakobs <jj at office.fsfeurope.org>
Press Speaker - FSF Europe (http://fsfeurope.org)
Heinrich-Heine-Str. 3, D-67134 Birkenheide (Tel: +49-179-6919565)