[FSFE PR][DE] Pflichtversicherungen für Softwarepatente wirken wie Feuerlöschen mit Benzin!

Joachim Jakobs jj at office.fsfeurope.org
Mon Nov 1 14:51:47 CET 2004


Sehr geehrter Herr Barroso,

die scheidende EU Kommission hat aktiv für die Einführung von
Softwarepatenten in Europa gekämpft. Und das, obwohl damit erhebliche
Risiken für Europa verbunden sind. Neben den bereits bekannten Studien
[1] haben Pricewaterhouse Coopers (PwC) und die Deutsche Bank Research
erst vor kurzem auf die Gefahren für hingewiesen: The Register zitiert
PwC: "Die zurückhaltende Regulierung [...] der Vergangenheit hat zu
einer sehr innovativen und wettbewerbsfähigen Softwareindustrie mit
niedrigen Zugangsbarrieren geführt. Ein Softwarepatent, das dazu dient,
Erfindungen nicht-technischer Natur zu schützen, könnte die hohe
Innovationsrate abwürgen."

Die Realität ist, dass Softwarepatente die Innovation blockieren werden
- ein Grund für alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, deren
Einführung abzulehnen.  Es ist unserer Erinnerung nach das erste Mal,
dass etwas derartiges im Deutschen Bundestag geschehen ist.

Außerdem hat die Kommission die Gefahren, die mit Softwarepatenten
einhergehen, eingestanden, indem sie derzeit über die Einführung einer
Pflichtversicherung [4] nachdenkt, um das Risiko zu reduzieren. Nach den
aktuellen Plänen sollen sich sowohl Patentinhaber als auch potentiell
Beklagte versichern müssen. Auf der Suche nach Prozessen wegen
Softwarepatentverletzungen, vor denen eine derartige Versicherung
schützen soll, wird man schnell fündig: Eolas Technologies hat
Microsoft 1999 wegen einer Patentverletzung verklagt. Mittlerweile -
fünf Jahre später und nach erheblichem finanziellen Aufwendungen - hat
das US Patent and Trademark Office (PTO) das fragliche Patent für
ungültig erklärt. Es gibt keinen Fachmann, der der Ansicht wäre, dass
das Patent aufrecht erhalten werden könnte. Trotzdem hat Eolas erklärt,
weiterkämpfen zu wollen, ein Ende des Verfahrens ist nicht abzusehen.
Und Eolas geht diesen Weg weiter - sogar ohne eine derartige
Versicherung.

Die geplante Versicherung wird ähnlich wirken, wie wenn jemand
versuchte, Feuer mit Benzin zu löschen: Wir haben derzeit 30.000
Softwarepatente in Europa. Viele Versicherte werden die
Pflichtversicherung als Investment ansehen, für das sie eine Rendite
erwarten. Softwarepatente können sich aber nur dann rentieren, wenn
Prozesse geführt werden. Das Ergebnis werden rapide wachsende
Versicherungsprämien sein, und die Versicherer werden ihr Risiko schnell
limitieren, um eine Kalkulationsgrundlage zu haben. Am Ende werden sich
die Beteiligten in einer Situation wiederfinden, die derjenigen ohne
Versicherung sehr ähnelt - nur mit einem grossen Unterschied: Bis dahin
werden sie einen unsinnigen Geldbetrag für eine sinnlose Versicherung
aufgewendet haben und ihre Verwaltungsbürokratie wird schwindelerregende
Ausmasse erreicht haben. Mit dieser Entwicklung wird das Bemühen der
Kommission um eine Verwaltungsvereinfachung zu einem aussichtslosen
Unterfangen werden. Was aber noch wichtiger ist: Innovationen für die
Informationsgesellschaft werden blockiert und Europa wird bis 2010
wahrscheinlich zur "wettbewerbsschwächsten wissensbasierten Region"
geworden sein.

Deshalb bitten wir Sie: bitte ersparen Sie Europas Wirtschaft beides -
die Einführung der Softwarepatenten (einem der effizientesten Blocker
von Innovation und Wirtschaftswachstum) wie auch den Wahnsinn einer
Versicherung gegen dieses sinnlos geschaffene Risiko.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Greve 
Präsident der FSFE



[1]
http://mail.fsfeurope.org/pipermail/press-release-de/2004q2/000030.html
[2] www.theregister.co.uk/2004/09/15/pwc_swpat_are_a_threat/
[3]
www.dbresearch.com/PROD/DBR_INTERNET_EN-PROD/PROD0000000000175949.pdf
[4]
http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/patent/docs/patent-litigation-insurance_en.pdf