[FSFE PR][DE] Ankündigung einer Aktionswoche von FSFE und FFII (10. bis 14. Mai 2004) gegen Softwarepatente
Joachim Jakobs
jj at pr-profi.com
Die Mai 4 11:34:30 CEST 2004
Liebe Kolleginnen,
Liebe Kollegen,
Sehr geehrte Damen und Herren,
im September letzten Jahres hat das Europäische Parlament bekräftigt,
keine Softwarepatente in Europa zuzulassen. Keine sieben Monate später
hat die Irische Ratspräsidentschaft der Europäischen Union im Frühjahr
mit Unterstützung einiger Nationalregierungen (unter anderem auch der
Deutschen!) und der Europäischen Kommission eine gegenteilige
Beschlußvorlage für Softwarepatente eingebracht. Über diese
Beschlußvorlage soll am 17. Mai 2004 abgestimmt werden. Damit werden
nicht nur die Beschlüsse der legislativen ad absurdum geführt und die
Demokratie mit Füßen getreten, sondern ein derartiges Gesetz würde
negative Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft in erheblichem Umfang
nach sich ziehen (siehe "Gemeinsame Position ..." unten).
Die Free Software Foundation Europe[1] und der Förderverein für eine
Freie Informationelle Infrastruktur e.V. [2] planen derzeit eine
Aktionswoche vom 10. bis 14. Mai, um Bürger, Wirtschaft und Politik über
die schädlichen Folgen dieser Initiative zu informieren . Im Rahmen
dieser Aktionswoche sind Demonstrationen und Podiumsdiskussionen in
zahlreichen Europäischen Hauptstädten [3]. Diese Aktionen werden von
einem offenen Brief an die Bürger Europas begleitet.
Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Leser über dieses Thema informieren
und eine möglichst objektive Diskussion mit uns und anderen führen
würden. Den Offenen Brief werden Sie Ende kommender Woche erhalten.
Sollten Sie weitere Informationen von uns benötigen, zögern Sie bitte
nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Jakobs
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Joachim Jakobs Tel: 0179/6919565
In der Roede 24 jj at pr-profi.com
64367 Mühltal www.pr-profi.com
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*Gemeinsame Position der Free Software Foundation Europe e.V. und des
Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. *
Softwarepatente sollen künftig nach dem Willen des EU-Ministerrats Ideen
schützen. Das bedeutet, dass nicht nur Verfahren patentiert werden
können, sondern auch das Ergebnis. Somit wären auch andere Lösungswege
mit gleichem Ergebnis von einem derartigen Patent bedroht. Dadurch
können beliebige und beliebig viele Softwareideen zu intelellektuellen
Sperrgebieten erklaert werden: Dazu muss die Lösung noch nicht einmal
vorliegen: Die Idee genuegt! Bereits heute fördert die Patentdiskussion
seltsame Stilblueten zu tage: Der Buchhändler Amazon hat seine
"1-Click-Technik", mit der registrierte Benutzer mit nur einem Mausklick
eine Bestellung aufgeben koennen auch in Europa zum Patent angemeldet.
Das Patent auf den "Fortschrittsbalken" von Installationsprogrammen ist
bereits erteilt.
In einem Brief [4] an die EU-Kommission vom November letzten Jahres
haben sich die Vorstandsvorsitzenden von Alcatel, Ericsson, Nokia und
Siemens vehement für Softwarepatente ausgesprochen. So könnte man
meinen, dass zumindest Grosskonzerne von Softwarepatenten profitiere
könnten: Kleine Wettbewerber koennen schnell verdraengt werden und mit
den anderen Grossen kann man "querlizensieren": "Wenn ich tausend von
deinen Patenten nutzen darf, darfst du tausend von meinen nutzen".
Dieser Eindruck ist allerdings trügerisch: Beispielsweise ist die
IP-Telefonie in technischer Hinsicht ein komplexes Geflecht
unterschiedlicher Kompressionsverfahren - oder besser: unterschiedlicher
patententierter Ideen. In den Märkten, in denen Softwarepatente eine
gesetzliche Grundlage bekommen, hat die IP-Telefonie nach Meinung von
Professor Henning Schulzrinne von der US-Amerikanischen Columbia
University keine Chance. Er sieht dann nur eine Möglichkeit: Etwa 17
Jahre warten, bis die Patente ausgelaufen sind [5]. Die genannten
Vorstandsvorsitzenden leisten ihren eigenen Unternehmen einen
Bärendienst - denn schliesslich würden Telekomausrüster ja den
Löwenanteil des Umsatzes einheimsen, den die Marktforschungsgesellschaft
Gartner bis 2007 auf 3,6 Milliarden Euro [6] schätzt.
Wie aber ist es möglich, dass vier Weltkonzerne eine so kurzfristige
Politik betreiben? Des Rätsels Lösung ist simpel: Sie vertrauen auf die
"falschen Freunde" - ihren Patentabteilungen, Patentanwälten,
Patentfachleuten in Kammern und Verbänden. Allein in München gibt es 700
niedergelassene Vertreter [7] + [8] dieser Profession - kein Wunder
also, dass sich die Patentanwaltkammer sich in einer 12-seitigen
Stellungnahme [9] für Softwarepatente ausspricht.
Wissenschaftlich bestätigt wurden die Auswirkungen des Krebsgeschwürs
"Patentunwesen" vom US-amerikanischen "Massachusetts Institute of
Technology". Das hat in einer Studie im Jahr 2003 festgestellt [10],
dass Unternehmen umso weniger in Forschung und Entwicklung investieren,
je mehr Softwarepatente sie halten. Was passiert nun in Staat,
Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt, wenn diese Entwicklungen nicht
gestoppt werden? Wir verbieten den Menschen, kreativ zu sein. Wir
überlassen die gesellschaftliche Entwicklung den Bürokraten, die uns auf
Schritt und Tritt zu ihrem eigenen Vorteil gängeln wollen. Der
Tschechische Präsident Vaclav Klaus formuliert es im Handelsblatt vom
27.4.2004 so: "Die EU besteht nicht aus Freiheit und Offenheit, sondern
aus Bürokratisierung, Dirigismus, Regulierung und Harmonisierung." Wir
müssen alles tun, um diesen Eindruck zu widerlegen. Wir können diese
Diskussion also nicht weiterhin anderen überlassen, die nur behaupten,
unsere Anliegen zu vertreten.
[1] www.fsfeurope.org
[2] www.ffii.org
[3] http://kwiki.ffii.org/SwpDemo0405En
[4] http://swpat.ffii.org/news/03/telcos1107/index.en.html
[5] http://swpat.ffii.org/patente/wirkungen/voip/index.de.html
[6]
http://www.computerwoche.de/index.cfm?pageid=254&artid=54004&main_id=54004&category=8&currpage=2&type=detail&kw=Marktvolumen
[7] http://www.patentanwaltskammer.de/cgi-bin/find_map.cgi?key=80
[8] http://www.patentanwaltskammer.de/cgi-bin/find_map.cgi?key=81
[9] http://www.patentanwaltskammer.de/aktuell/040318_6_03_Zur_Sache_3.pdf
[10] http://swpat.ffii.org/papers/bessenhunt03/index.en.html
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