[FSFE PR][DE] Stellungnahme der FSF Europe zu Softwarepatenten

Georg C. F. Greve press@germany.fsfeurope.org
Thu, 25 Apr 2002 19:27:46 +0200


                      Stellungnahme der FSF Europe zu Softwarepatenten
           http://fsfeurope.org/de/articles/article-25.04.2001.de.html


 An das Bundesjustizministerium

 Betr.: Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für
        eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computer-
        implementierter Erfindungen vom 20. Februar 2002


Sehr geehrte Damen und Herren,

nach sorgfältiger Lektüre des Richtlinienvorschlags teile ich Ihnen im
Namen von Free Software Foundation Europe und des GNU-Projekts mit,
daß wir dem Vorschlag außerordentlich kritisch gegenüberstehen.

Unabhängig von den öffentlich gewordenen Zweifeln an dem Prozeß, der
zur Erstellung des Dokuments geführt hat[1], sowie seiner mangelnden
``juristisch-handwerklichen'' Qualität[2] stellt die Patentierung von
abstrakten Software-Ideen[3] generell eine nicht unerhebliche
Schädigung von Wirtschaft, Forschung und Lehre dar.  Dies ergibt sich
eindeutig aus den auf diesem Gebiet vorhandenen Studien. Ein Nutzen
der Software-Patentierung konnte jedoch im Gegenzug auch in Ländern,
die diese bereits längere Zeit praktizieren, bisher nicht festgestellt
werden.

Standortpolitisch ist vielmehr zu erwarten, daß Europa gegenüber den
USA und Japan durch einen derartigen Entwurf stark geschwächt und in
seiner Entwicklung zur Informationsgesellschaft diesen gegenüber
nachhaltig behindert wird.

Auch für Freie Software[4], die üblicherweise stark dezentral
entwickelt wird, stellt die Patentierung von Software ein
ernstzunehmendes Problem und einen Innovationshemmschuh dar.
 
Dies ist besonders schädlich, wird doch Freie Software zunehmend auch
von den europäischen Regierungen als ein Weg verstanden, die Grundlage
zur von Europa angestrebten ``Wissensökonomie'' zu schaffen.

Bereits heute hat Freie Software eine Schlüsselposition in vielen
Kerngebieten der sogenannten ``informationellen Infrastruktur'' inne.
Ein Beispiel hierfür ist das Internet, das ohne Freie Software nicht
denkbar wäre.  Doch auch der Zugang der Bevölkerung zu
vertrauenswürdiger elektronischer Kommunikation basiert zunehmend auf
Freier Software.

Nach Einstellung des Supports für das ``PGP'' Programm ist ``GnuPG''
die einzig unterstützte Implementation des ``Pretty Good Privacy''
Standards OpenPGP -- auch GnuPG ist Freie Software.  Das Bundesamt für
Sicherheit in der Informationstechnik hat ebenfalls eine Freie
Software Implementierung für ihren SPHINX-Standard in Auftrag gegeben.

Darüberhinaus offeriert Freie Software Eigenschaften wie
Nachhaltigkeit, Effizienz, Stabilität, Freiheit des Marktes und Schutz
vor Monopolen, was in Kombination mit der gesellschaftlichen Relevanz
der Informationstechnologie u.A. auch die Unabhängigkeit der
Demokratie sichert.[5]

Einen Weg einzuschlagen, dessen Nutzen auch nach mehrjähriger
Praxiserfahrung nicht belegbar ist und auch in der Theorie bezweifelt
wird, dessen Schaden jedoch deutlich zu Tage tritt, kann nach unserem
Verständnis nicht im Interesse von Deutschland oder Europa sein.

Wir empfehlen daher den Vertretern der deutschen Regierung, diesen
Entwurf als unzureichend abzulehnen.

Es sollte darauf gedrängt werden, von kompetenter, europäischer Seite
einen Entwurf erstellen zu lassen, der die bereits fortgreifende
Patentierungspraxis wieder in die für Wirtschaft, Forschung und Lehre
sinnvollen Grenzen verweist.

Mit freundlichen Grüßen,
Georg Greve
FSF Europe, Präsident


[1] http://www.linux-verband.de/nachrichten/allgemein/20020228102108

[2] Meldung vom 11.3.2002 auf http://www.ifross.de

[3] In diesem Entwurf als "computerimplementierte Erfindungen" tituliert.

[4] Anm.: Teilweise auch als "Libre Software" oder "Open Source
    Software" bezeichnet.

[5] Siehe hierzu beispielsweise die Begründung der Entscheidung des
    deutschen Bundestags, serverseitig das auf Freier Software
    basierende GNU/Linux-System einzusetzen.