Cyber Resilience Act und andere EU-Gesetzgebungsverfahren

Joachim Jakobs jj at privatsphaere.org
Mo Okt 16 11:03:54 UTC 2023



Am 16.10.23 um 12:00 schrieb Dr. Michael Stehmann:


> 
> Warum soll hierfür die entwickelnde Person haften?

Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass Microsoft (mit seiner 
historisch bedingten Anfälligkeit) oder der Autozulieferer Continental 
nicht zur Rechenschaft zu ziehen wäre, sondern die jeweils 
Verantwortliche Nutzerin (Ärztin/Autofahrerin), die Implantate verbaut 
oder Auto fährt?

Grade bei Continental wäre das fatal: Dort soll sich eine Mitarbeiterin 
einen Browser aus dem Netz gezogen und installiert haben -- am Ende 
waren Terabytes von Daten/Quellcode weg. Bei einem neuerlichen Angriff 
muss jetzt mit dem Versuch gerechnet werden, Schadsoftware in die 
automobile Lieferkette und am Ende in die Autos einzuschleusen.

Wäre Continental nicht verantwortlich für die Integrität seiner 
Anwendungen, hätten sie keinerlei Anreiz, sich darum zu kümmern -- sie 
sind ja immerhin schon TISAX-zertifiziert! TISAX!!

Und die Fehlerdichte könnte zunehmen:

"Factors affecting Defect Density Complexity

As the complexity of code increases, the defect rate could increase 
significantly." [1]

Nochmal: Freie Software ermöglicht Transparenz, verringert die 
Haftungsrisiken. Dafür muss die Entwicklerin bezahlt werden. Das wird 
die Industrie lernen (müssen) wenn sie mit der zu erwartenden 
Angriffsqualität in Zukunft klarkommen will.

Ein juristisches Gutachten (__Rechtswissenschaftlerinnen_:-) der Uni 
Göttingen meint im Auftrag des BSI, dass Stand von Wissenschaft und 
Technik für die Entwicklerinnen von Autos -- ich meine auch von 
Implantaten -- bereits heute gelte und §1 ProdHG anzuwenden sei.

> 
> Freie Software wäre definitiv tot, wenn man aus ihrer Entwicklung und 
> Distribution eine "gefahrgeneigte Tätigkeit" mit unkalkulierbaren 
> Haftungsrisiken machen würde. (Nur ausnahmsweise kann man mathematisch 
> beweisen, dass Software immer entsprechend ihrer Spezifikation und nur 
> entsprechend ihrer Spezifikation arbeitet. Und das Problem des nicht 
> spezifikationsgerechten Einsatzes bleibt dann.)
> 

Ack -- perfekte Software wirds nie geben! Es lässt sich aber alles 
Menschenmögliche tun. Und allzu oft geht den Kundinnen Geschwindigkeit 
über Qualität. Und sie setzen Termine, die nicht einzuhalten sind, wenn 
Qualität gebracht werden soll. Das wird sich ändern, wenn Qualität ein 
Leistungsmerkmal ist, mit dem sich Geld verdienen lässt. Oder wenn Keine 
mehr bereit ist, Geschenke zu machen.


[1] https://tuskr.app/learn/defect-density



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