Presseschau: Open Source! Der Kampf um freie Software

Christian Imhorst christian.imhorst at fsfe.org
So Jan 30 18:47:04 UTC 2022


Hi,



Am 30.01.22 um 17:17 schrieb Henning Thielemann:
> On Sun, 30 Jan 2022, Christian Imhorst wrote:
> 
>> "Diese geradezu orwellsche Umkehrung der Bedeutung von positiv
>> besetzten Begriffen wie 'Gemeinschaft', 'Zusammenarbeit' und
>> 'Offenheit' ist ein typisches Merkmal des Überwachungskapitalismus, in
>> dem die Geschäftsmodelle auf dem Abschöpfen persönlicher Daten basieren."
> 
> Den letzten Nebensatz lese ich so nicht in dem englischen Artikel.

Ja schräg, wobei die deutsche Übersetzung dann straight den Weg des
Artikels zeigt: Die Open Source-Bewegung droht zu scheitern oder ist es
bereits, weil die Definitionsgewalt über die Ideale von Open Source
GAFAM übernommen hat. Bei GAFAM geht es nicht darum, dass Menschen mit
Hilfe von Open Source dazu ermächtigt werden, die Technik beherrschen,
sondern allein darum, dass Open Source GAFAM ermächtigt, Menschen zu
vermessen, ihr Verhalten zu konditionieren, um darauf ihre
Geschäftsmodelle wie personenbezogene Werbung zu bauen, oder ganze
Datensätze an andere Unternehmen zu verkaufen, die damit z.B. eine
Automarke puschen oder versuchen, Wahlen zu manipulieren.

Gegen die Vereinnahmung durch GAFAM, und dass Open Source dazu genutzt
wird, um Dienste zu schaffen, die mit Freiheit, Gemeinschaft,
gegenseitiges Lernen und Unterstützen nichts mehr zu tun haben, obwohl
GAFAM die Begriffe weiter so benutzt, können wir als
Free-Software-Community nur angehen, wenn wir eine politische Größe
sind, die die Gesellschaft auf die Probleme aufmerksam machen kann.

Aber sobald es um Smartphones und Social Media und Fotos in der Cloud
geht, sind weite Teile der Gesellschaft sehr schnell bereit, ihre
Privatsphäre aufzugeben und für die Bequemlichkeit sehr viele Daten über
sich preiszugeben, so dass GAFAM aufgrund ihrer Metadaten sie häufig
besser kennt, als sie sich selbst.

Die Open Source-Entwickler:innen, die bei GAFAM an Open Source
mitarbeiten oder die Linux Foundation oder die Open Source-Projekte auf
Github, sind eben nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, das
den Überwachungskapitalismus in jede Pore unseres gesellschaftlichen
Lebens eindringen lässt.

> Der Artikel sagt zum Thema Linux-Kernel: "But the public licence obliged
> Google to publish the source code of its modifications to this free
> software, so Google developed its own operating system, Fuchsia, which
> is not subject to a copyleft licence."
> 
> Naja, immerhin ist Fuchsia freie Software, nur halt laut Wikipedia mit
> BSD-, MIT- und Apache-Lizenzen.

Aber Open Source Software, die dann Google besser kontrollieren kann.
Wenn sich Fuchsia durchsetzt, wird das vermutlich der Todesstoß für
CustomROMs wie LineageOS etc. sein. Auf Fuchsia-Basis wird es nichts
vergleichbares geben, so wie es nichts vergleichbares für iPhones auf
der Basis von XNU und Darwin gibt, die ja ebenfalls Open Source sind.
(Es gab einen Beitrag dazu von NeoTheThird auf dem 36c3, wenn ich mich
richtig erinnere, warum wir GNU/Linux - nicht Android - auf Smartphones
so dringend brauchen).

> Die Autoren erheben den Vorwurf "Companies that publish code on GitHub
> also stress the ‘community governance’ of their projects, as anyone can
> submit a change for approval by the original author — allowing
> commercial companies to retain final say, while creating the illusion of
> horizontality."
>
> Das halte ich bei meinen Freie-Software-Projekten nicht anders. 

Ja, das ist auch bestimmt richtig so, aber du bist kein Multi-Milliarden
Dollar Konzern. Vermute ich mal, ich kenne dich nicht. :-)

Unternehmen, die Programmcode auf GitHub veröffentlichen, betonen
ständig den gemeinschaftlichen Charakter ihrer Projekte, dass alles so
toll Community driven ist. Die Konzerne erzeugen so den Eindruck, dass
alles horizontal ist und Mitbestimmung herrscht, behalten aber am Ende
das letzte Wort, was bei ihren Produkten - im Gegensatz zu deinen -
gesellschaftlich relevant sein kann, weil es Tausende, Millionen oder
sogar Milliarden von Menschen betreffen kann, die die Produkte oder
Dienste dieser Konzerne nutzen.

So habe ich den Artikel zumindest verstanden und ich finde es wichtig,
dass diese Themen nicht nur in unserer Bubble diskutiert werden, sondern
dass sie auf einer breiten gesellschaftlichen Ebene relevant werden.
Daher finde ich es gut und wichtig, dass solche Artikel z.B. in der LMD
erscheinen und fände es noch besser, wenn es noch mehr davon gäbe.

Viele Grüße
Christian



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