Re: Wie umgehen mit ... wenn die einschlägigen Leute auf freie Software umsteigen?

willi uebelherr willi.uebelherr at gmx.de
Mo Jan 24 23:14:55 UTC 2022


Lieber Carsten,

ich danke dir sehr fuer deinen Rueckbezug auf eine sachliche Argumentation.

In deiner einleitenden email hast du geschrieben:
"Ich würde gerne einmal Eure Meinung hören zum Umgang mit Telegram und
hoffe, dass ich da „kein Fass“ aufmache."

Wie es scheint, hast du es aufgemacht. Wahrscheinlich war der Verschluss
schon etwas ueberstrapaziert. Schon der Begriff "telegram" hat wohl die
Emotionen wallen lassen.

Ich denke nicht, dass es hier spezifisch um telegram geht und wie ich
lese, siehst du es ja aehnlich. Im meinen 3.x Jahrzehnten im Umgang mit
Telekommunikation faellt mir auf, dass es immer massive Versuche gab,
einen freien Austausch zu unterbinden. Die US-Netiquette fuer "political
correctness" war nur der Anfang.

Waeren die Zensurmassnahmen auf fb, youtube und twitter nicht so extrem,
waeren wohl telegram und gettr nicht so weit verbreitet.

Die frage ist also weniger, wie die verschiedenen Portale ihre
Saeuberungsaktionen ausbauen, sondern doch eher, wer will sie und warum.

Ich denke nicht, dass fb, youtube und twitter ein eigenes Interesse an
Zensur hatten. Zumindest widerspricht es komplett ihrem
Geschaeftsmodell. Das hat sich vielleicht in den letzten 2 Jahren etwas
veraendert.

Auch hier in der Debatte von FSFde sehen wir ganz individuell
begruendete Aufforderungen zur Zensur. Oft gekennzeichnet mit "off topic".

Also, das Zensurbeduerfnis mancher FSF-Akteure scheint doch ein sehr
persoenliches zu sein.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay


Am 24.01.2022 um 13:48 schrieb Carsten Bachert:
> Hallo Ilu,
>
> Telegram hatte ich als Bezug genommen, weil ich das Gefühl hatte, dass in Politik aber auch in Medien
> ohne viel Überlegung (um nicht zu sagen Sachverstand)  über ein „Verbot“ dieses Internetdiensten gesprochen wurde.
> Latein verstehe ich tatsächlich nicht - mea culpa.
>
> Meine Frage am Ende war aber allgemeiner Natur - weder auf freie Software, noch auf unfreie Software bezogen.Und ja,
> es betrifft natürlich auch freie Software, bzw. (Soziale) Netzwerke, die mit Hilfe von freier Software betrieben werden.
>
>
>> Wie wäre die juristische Verantwortung der Server-Admins zu beurteilen?
>
> [1] … Die Anbieterinnen und Anbieter großer sozialer Netzwerke werden verpflichtet, den Nutzerinnen und Nutzern ein leicht erkennbares,
>   unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte anzubieten, ….
>
> Zur juristischen Verantwortung:
> … Diese kann mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro gegen eine für das Beschwerdeverfahren verantwortliche Person geahndet werden. ...
>
> Die erste Frage dabei ist natürlich: Was ist „groß“?
>
> -> (2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 bis 3b und 5a befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.
>
> Da sind dann doch viele Betreiber zumindest beim NetDG raus.
>
> Die zweite Frage wäre bei Mastodons zum Beispiel: Wie berechnet sich die Größe?
> - Betrifft es „nur“ den eigenen Node? Alle verknüpften Mastodons Instanzen (schwierig, weil man keinen Zugriff darauf hat) oder gar das ganze XMPP?
>
> Aber auch, wenn das NetDG nicht zieht, gibt es Gesetze, die zu beachten sind. Unstrittig ist, dass der tatsächliche Autor für seinen Beitrag uneingeschränkt haftet:
>
> [3] § 186 des Strafgesetzbuches (StGB) bestimmt, dass die Behauptung unwahrer Tatsachen über eine Person strafbar ist, wenn diese den Betroffenen verächtlich machen bzw. in der öffentlichen Meinung herabwürdigen soll. Eine Freiheitstrafe <https://www.anwalt.org/freiheitsstrafe/> von bis zu einem Jahr oder eine entsprechend hohe Geldstrafe droht dem Verfasser. Erfolgt die Verbreitung der Behauptung schriftlich, erhöht sich die Strafe auf bis zu zwei Jahre Gefängnis.
>
> Sind Server-Admins in dem Zusammenhang auch Betreiber, also Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz [4] :
>
> Und damit zumindest nach Kenntnis rechtswidriger Handlung verantwortlich, für Löschung oder Sperrung zu sorgen. Siehe auch „Forenhaftung“.
>
> Damit ist es IMHO egal, wie groß die Seite ist und wie viel Nutzer sie hat. Hat man Kenntnis erlangt und handelt nicht, macht man sich strafbar.
> Mit der Impressumspflicht (§ 18 Abs. 2 MStV) ist auch klar, wer im Zweifel angeschrieben wird.
>
> Wenn ein Service allerdings aus bestimmten Ländern heraus betrieben wird, die sich nicht darum kümmern;
> Wird es für die Durchsetzung der (deutschen) Gesetze eher schwierig.
>
>> Was könnten oder müßten die technisch tun?
>
> Impressum und eine entsprechende Löschfunktion implementieren. Ggf. Ein Alarmsystem, das auf eingehende Meldungen reagiert.
>
>> Blacklisting ganzer Server
>
> … IMHO nicht notwendig, da die eigene Verantwortung nur für den eigenen Zuständigkeitsbereich gilt.
>
>> Selbst tätig werden oder auf eine staatliche Anordnung warten?
>
> Ich denke: Tätig werden, wenn man Kenntnis erlangt hat. Eigene Recherche ist nicht zwingend nötig.
>
> Viele Grüße,
> Carsten
>
> [1] https://www.bmj.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html <https://www.bmj.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html>
> [2] https://www.gesetze-im-internet.de/netzdg/BJNR335210017.html <https://www.gesetze-im-internet.de/netzdg/BJNR335210017.html>
> [3] https://www.anwalt.org/fake-news/ <https://www.anwalt.org/fake-news/>
> [4] https://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__10.html <https://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__10.html>
>
>> Am 24.01.2022 um 06:10 schrieb Ilu <ilu at fsfe.org>:
>>
>> Am 23.01.22 um 21:44 schrieb j.c.b at dokcode.de:
>>> unter anderem genau solche Moderation fehlt auf Telegram&Co und
>>> schafft den Wirbel und die Welle
>>
>> Genau. Vielen Dank, Florian, für Deine Arbeit!
>>
>> Beim Beginn der Diskussion hatte ich schonmal (ganz vorsichtig auf Latein) darauf hingewiesen, dass das Thema in der Form wohl off-topic ist. Telegram ist keine freie Software.
>>
>> Wir könnten allerdings diskutieren, wie wir damit umgehen würden, wenn die Karawane der einschlägig Tätigen (etwa im Falle eines Verbots) von Telegram zu Matrix/Element weiterzieht. Das würde mich viel mehr interessieren. Wie wäre die juristische Verantwortung der Server-Admins zu beurteilen? Was könnten oder müßten die technisch tun? Blacklisting ganzer Server wäre technisch möglich, einzelner Räume, soweit ich weiß, nicht. Selbst tätig werden oder auf eine staatliche Anordnung warten? Blocklisten einbinden wie beim Email-Spam? Gibt es da Erfahrungen aus dem XMPP-Universum?
>>
>> Viele Grüße
>> Ilu
>>
>> Am 19.01.22 um 01:31 schrieb Ilu:
>>> Hallo Liste,
>>> wir haben Gesetze, die Löschungsverpflichtungen regeln, etwa bei Mordaufrufen. Wer das für "Zensur" hält, der mag sich demokratisch um eine Änderung dieser Gesetze bemühen. Gesetze gelten für alle, für Youtube, Facebook, Twitter und eben auch für die Verlautbarungskanäle auf Telegram. Wenn Youtube, Facebook, Twitter und andere von Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden auf illegale Inhalte aufmerksam gemacht werden, löschen sie diese oder wehren sich rechtlich gegen die Einstufung als illegal.
>>> Telegram reagiert einfach gar nicht und macht damit deutlich, wie egal ihnen unsere Gesetze sind. Insofern ist "Telegram abschalten" keine ganz fernliegende Idee - und die offene Missachtung der staatlichen Autorität durch Telegram ist auch der alleinige Grund für diese Überlegungen. Technisch wird es natürlich keinen Erfolg haben. Sozial auch nicht, denn die Karawane der Möchtegern-Mörder wird einfach weiterziehen - vom Ausland aus, wo unsere Behörden keinen Zugriff haben.
>>> Ich bin nicht in jeder Hinsicht mit den bei uns geltenden Gesetzen einverstanden, aber deshalb ergreife ich noch lange nicht Partei für diese Straftäter.
>>> Ceterum censeo disputationem a proposito aberratum esse !
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