Bessere Software-Unterstützung für kontroverse Diskussionen (9 Thesen und ein Appell)

Alexander Dahl post at lespocky.de
Mi Jan 5 16:38:59 UTC 2022


Hallo Carsten,

On Sat, Dec 18, 2021 at 02:51:46PM +0000, Carsten Knoll wrote:
> da in den letzten Tagen ein erhöhtes Mailaufkommen auf dieser Liste rund
> um Meta-Themen stattgefunden hat würde mich mal Eure Meinung zu
> folgenden (subjektiven) Thesen interessieren:
> 
> 
> 1. Textbasierte und asynchron ablaufende Diskussionen (z.B. über
> Mailinglisten) zu kontroversen Themen haben ein erhebliches
> Frustrationspotential.

In der Tat, die Erfahrung habe ich auch gemacht. Auf Mailinglisten
habe ich aber auch gesehen, dass die meisten Leute lernfähig sind, was
den Gebrauch dieses Mediums angeht und in der Lage ihre Kommunikation
so anzupassen, dass höflicher und konstruktiver Austausch stattfindet.

> 3. Ein Großteil der suboptimalen und objektiv falschen Entscheidungen in
> Politik und Gesellschaft ist auf die Dysfunktionalität der
> vorangegangenen Diskurse zurückzuführen. Beispiel: Luca-App. Ebenso ein
> Großteil der Konflikt-bedingten "Reibungsverluste" z.B. in
> Software-Projekten.
> 
> 4. Typische Szenarien kontroverser Diskussionen sind:
>   - ergebnisloses im-Sande-Verlaufen
>   - Wegdriften vom ursprünglichen Thema
>   - offener Streit und Abbruch der Kommunikation
>   - Neubeginn nach längerer Pause mit stark unterschiedlichem
> Kenntnisstand der bisherigen Diskussion
>   - Vermeidung einer breiten (und anstrengenden) Diskussion und
> autokratische Entscheidungsfindung.
> 
> 5. Das wünschenswerte Szenario wäre dagegen:
>   - gemeinsames Zusammentragen der jeweiligen Pro- und Kontra-Argumente
>   - Übersichtliche Darstellung des aktuellen Standes des Argument-Baumes
>   - nachvollziehbare Quellenangaben für externe Information

Bei mehreren Beiträgen hier im Thread hatte ich den Gedanken, dass die
angesprochenen Probleme durch ganz klassische Moderation gelöst oder
zumindest gemindert werden können, zusätzlich zu den von Dir genannten
Zusammentragen und Zusammenfassen des bisherigen Diskussionsstandes,
würde ich da noch ergänzen:

- unangemessenes Verhalten ansprechen und unterbinden
- Lenkung der Diskussion zurück zum Thema
- Wiederaufnehmen der Diskussion bei längerem Stillstand
- gezielte Aufforderungen bisher unklare Aussagen zu konkretisieren
- Quellen aktiv einfordern

Vermutlich noch mehr. Ich kann mich entsinnen, dass vor gut 20 Jahren
in lokalen Webforen engagierte Moderator*innen sich ebenso positiv auf
die Diskussionen ausgewirkt haben wie bei uns im Hackerspace in der
konsensbasierten Entscheidungsfindung.

> 6. Die bisher genutzten Software-basierten Medien (Mailinglisten,
> Chatgruppen, Foren, Wikis, Threads auf Twitter oder Mastodon, Kommentare
> unter Medien-Beiträgen oder in Blogs) unterstützen dieses wünschenswerte
> Szenario deutlich zu wenig.
> 
> 7. Die konkrete Funktionalität einer Kommunikations- und
> Dokumentationssoftware kann einen massiven (positiven) Einfluss auf die
> Art und das Ergebnis der Kommunikation haben. Beispiel:
> Stackoverflow-Prinzip statt klassischer Programmier-Foren.

Ich meine eine gute Plattform oder Software kann Moderation durchaus
unterstützen. Vermutlich muss man hier gar nicht das Rad neu erfinden,
vielleicht hilft da der Input von Leuten, die bereits moderiert haben?

> 8. Relevante Kommunikationssoftware sollte frei sein und ohne viel
> Aufwand von Individuen und (zivilgesellschaftlichen) Gruppen ausgerollt
> und genutzt werden können.

Da sind wir uns hier wohl einig?! ;-)

> 9. Die Freie-Software-Communitiy sollte eine zweckmäßige Lösung
> entwickelen und deren Nutzung propagieren. Im eigenen und im
> gesellschaftlichen Interesse.
> 
> 
> 
> 
> Dieses ganze Thema beschäftigt mich schon eine ganze Weile. Auf dem 35C3
> (2018) habe ich einen Lightningtalk dazu gehalten:
> 
> https://media.ccc.de/v/35c3-9568-lightning_talks_day_4#t=198
> 
> 
> Einen ersten Implementierungsversuch einer eigenen Umsetzungs-Idee dazu
> gibt es unter:
> 
> https://github.com/cknoll/django-sober
> 
> aber ich bin mir bewusst, dass dieser Ansatz noch nicht überzeugend ist
> und ggf. auch nie wird.
> 
> 
> Aber mal ganz grundsätzlich:
> 
> Mich wundert, dass es für die aus meiner Sicht so offensichtlichen
> Missstände ("Alles was scheitert, scheitert an Kommunikation") bisher
> keine (mir bekannten) guten und vor allem systematischen Lösungen zu
> geben scheint.
> 
> 
> Wie seht Ihr das?

Siehe oben. ;-)

Grüße
Alex

-- 
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