Raus aus der Bubble

Christian Imhorst christian.imhorst at fsfe.org
Do Feb 17 09:30:11 UTC 2022


Hallo Michael,

Am 17.02.22 um 09:05 schrieb Dr. Michael Stehmann:
> Dieser ist auch immer (berechtigterweise) kritisch gegenüber dem
> "Jargon" und das "Denglisch", welches wir pflegen und das geeignet
> ist, Menschen, die nicht zum "Free Software Core Team" gehören,
> einzuschüchtern und abzuschrecken.

bin mir nicht sicher, ob "Jargon" und "Denglisch" wirklich unser Problem
sind. Wenn sich jemand für Linux interessiert, bekommt dieser Mensch in
unserer Community häufig erstmal die Frage gestellt, welches Linux? A
oder B, auf keinen Fall C und lass bloß die Finger von D und mach
niemals X,Y und Z. Dann kommt der nächste, der lang und breit erklärt,
dass es aber Gnu/Linux heißen muss, weil Linux ist bloß der Kernel und
so weiter. Wer bekommt da noch Lust, sich Linux zu installieren und sich
damit zu beschäftigen?


Dazu kommt das Stallman'sche Diktum, dass man niemals nie unfreie
Software oder Dienste benutzen darf und der nächste heilige Krieg wird
darüber ausgetragen, dass 1 nicht Twitch oder TikTok nutzen darf, weil
das ist unfrei und wir helfen auch nicht, wenn da jemand aktiv was
macht. Das ist imho auch eine sehr gute Ausrede, sich einer modernen
Welt komplett zu verschließen. Leider ist die Welt nicht so, wie ich sie
gerne hätte, sondern wie ich sie vorfinde.


Weiter geht es auf den Smartphones mit iOS vs. Google vs. Android vs.
LineageOS und was nicht noch alles. Oder die Weigerung jemanden zu
helfen, der Windows installiert hat, weil das nunmal auf dem Computer
drauf ist, als der Computer gekauft wurde. Selbst wenn man keine Ahnung
von Windows hat, sind die meisten Probleme, Probleme von
Endanwender:innen mit dem Web oder mit Office, die man unter bspw.
Ubuntu auch haben könnte. Dabei wäre das eine gute Gelegenheit, für
Freie Software zu werben und unter Windows auf LibreOffice, Nextcloud,
Thunderbird und Co. umzustellen, damit das Betriebessystem in den
Hintergrund rückt und am Ende des Prozesses nicht mehr so wichtig ist,
weil alle meine Programme Plattformunabhängig sind.


Wir hatten hier auf der Liste mal eine Diskussion, die Wolfgang Romey
angestoßen hatte zum Thema: "Raus aus der Umklammerung - Aus der
Umklammerung durch die IT-Konzerne kann man sich befreien. Die
vollständige Befreiung ist
aber je nach dem Grad der Verstrickung leicht bis sehr schwer." Deswegen
fängt man mit leichten Aufgaben an, wie Webbrowser, Office,
Cloud-Provider/Client, E-Mail-Provider und steigert sich bis hin zu
Betriebssystem und Hardware. Das finde ich immer noch, ist der Weg. Und
vermutlich sind ihn die meisten von uns auch so gegangen, aber manchmal
habe ich den Eindruck, dass wir, die wir, wie du sagst, zum "Free
Software Core Team" gehören, gerne vergessen, dass das auch bei uns ein
Prozess war und ist. Wir schauen uns den Wasserfall an und haben
vergessen, dass er ein Fluss ist.


War bei mir zumindest so: Dass ich heute ein Google-freies LineageOS mit
F-Droid als Store sehr gerne nutze, hat zwei Gründe: 1) Meine gesammlten
jahrelangen Erfahrungen und Erkenntnisse mit freier sowie unfreier
Software haben mich dazu motiviert und 2) F-Droid ist mittlerweile ein
wirklich richtig guter Store geworden, den ich gerne selber nutze und
auch sehr gerne weiterempfehlen mag.


Viele Grüße

Christian


P.S. Ich will damit nix gegen Wolf-Dieter (Zimmermann) und seine
Mitstreiter sagen. Das ist super, was sie und ähnliche Initiativen machen.



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