Ethische Lizenz, war: NC-Lizenzen

Henning Thielemann lemming at henning-thielemann.de
Mi Mai 19 06:53:44 UTC 2021


On Wed, 19 May 2021, Ilu wrote:

> die optimistischen Statements aus Deinem Vortrag teile ich nicht. Zwar 
> sehe ich, dass im politischen Bereich freie Software durchaus Erfolge 
> für den Bürger erzielt. Aber in der Wirtschaft ist freie Software auf 
> breiter Front die Grundlage absolut unethischer Geschäftsmodelle. Der 
> durchschnittliche Nutzer kommt mit freier Software nur über diese 
> Geschäftsmodelle in Berührung. Tendenz steigend.
>
> Eine proprietäre MS Office-Lizenz wie vor 10 Jahren war definitiv 
> freiheitlicher als Office 365 heute, obwohl bei ersterem keine freie 
> Software beteiligt war, bei letzterem vermutlich schon. Die 
> FOSS-Bewegung hat - aus der Sicht des durchschnittlichen Nutzers! - 
> nichts Freiheitliches bewirkt, im Gegenteil. (Für mich persönlich stellt 
> sich das natürlich ganz anders dar, aber ich bin auch kein 
> durchschnittlicher Nutzer.)

Ich habe mir Matthias' Vortrag angeschaut und muss ihm zustimmen, dass 
Software-Lizenzen möglicherweise nicht der richtige Hebel für alle Arten 
von Weltverbesserung sind.

Bemerkenswert finde ich den von Antje eingeworfenen Ansatz, 
Softwarelizenzen nicht um konkrete politische Ziele zu erweitern, sondern 
abstraktere Zwischenziele einzubauen, auf die man sich leichter einigen 
kann.

Meine persönliche Erfahrung ist: Anfangs habe ich meine Projekte 
standardmäßig unter GPL gestellt. Dann musste ich mir aber eingestehen, 
dass ich die lange GPL noch nie im Ganzen gelesen habe, nur die 
Erklärungen der FSF dazu, und ich selbst die Tragweite der einzelnen 
Punkte eigentlich nicht abschätzen kann. Dann kam zur GPL-2 noch die 
GPL-3, mit der man die Tivoisierung verhindern wollte, und es wurde noch 
komplizierter. Deswegen nehme ich heute vorrangig die BSD-Lizenz.

Also es falls mal allgemein anerkannte Lizenzen geben sollte, die 
nichtkommerzielle Verwendung oder ethische Aspekte enthalten sollte, so 
besteht die Gefahr oder Chance, dass ich die schon deshalb nicht verwenden 
werde, weil ich die Tragweite der Regeln nicht abschätzen kann.


Bleibt die Frage, welche Wege neben Softwarelizenzen man zur 
Weltverbesserung beschreiten könnte oder sollte. Das kommt dann aber schon 
auf das Beispiel oder das konkrete Ziel an.

Wenn ich dein Beispiel mit MS Office aufgreife: Du sagst, dass aus Sicht 
des Normalnutzers freie Software für ihn nichts freiheitliches bewirkt 
hat, aus deiner Sicht (als Experten) jedoch schon. Wenn das so ist, wie 
kann man den Normalnutzer an deiner Expertensicht teilhaben lassen? Würde 
dies das Problem schon lösen? Das wäre möglicherweise einfacher zu haben, 
als eine neue Softwarelizenz.


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