NC-Lizenzen

Johannes Zarl-Zierl jzarl at fsfe.org
Mo Mai 10 23:05:15 UTC 2021


Hallo Ilu,

Am Dienstag, 11. Mai 2021, 00:17:48 CEST schrieb Ilu:
> Und ehrlich gesagt, kam ich da auch mit den Argumenten an meine Grenzen.
> Warum halten wir in einer Welt des Kommerzes an Idealen fest, die von
> anderen hemmungslos ausgenutzt werden? Sobald jemand auch nur
> ansatzweise versucht, sich lizenztechnisch ein wenig vor dieser
> Ausnutzung zu schützen, kommt der Vorwurf "unfrei" - "weniger frei" wäre
> sicherlich korrekt, aber warum wird das allgemein verdammt? Wer das Werk
> kommerziell nutzen will, muss sich dann einfach nur um eine individuelle
> Vereinbarung bemühen. Teilweise wird die individuelle Vereinbarung
> direkt angeboten (siehe elasticsearch), aber der Aufschrei kommt trotzdem.

Aus meiner Sicht gibt es schon praktische Gründe, die gegen NC-Lizenzen 
sprechen:

1. Rechtssicherheit für Benutzer
Wo fängt kommerzielle Nutzung an, wo hört sie auf? Etwas überspitzt 
formuliert: Werde ich vom Urheber verklagt, wenn ich auf meiner Seite Werbung 
schalte? "Vergiftet" das Projekt meine ganze Wertschöpfungskette?

Der Nachteil von NC für mich als Rechteinhaber wäre in dem Fall, dass ich 
einen Keil in die Nutzer*innenschaft treibe: es gibt nur mehr Hobby-
Benutzer*innen und Kommerzielle Nutzer*innen, die auch Geld in die Hand nehmen 
wollen. Grenzfälle werden vergrämt, weil wer will schon non-compliance bei der 
Lizenz riskieren?
Langfristig werden oft auch die Hobbyisten vergrämt, wenn die zahlende 
Kundschaft bestimmt, welche Features implementiert werden.


2. Gesunde Community
Wenn ich ein Projekt unter FLOSS-Lizenz veröffentliche, erhoffe ich mir in der 
Regel davon ja auch, dass andere Leute an dem Projekt mitarbeiten. Das ist 
natürlch auch mit einer NC-Lizenz möglich, aber dann kann ich auch selbst kein 
Dual-Licensing machen oder selbst Geld mit dem Projekt verdienen.

Die Lösung bei Elasticsearch und anderen sind meiste Contributor License 
Agreements (CLAs). Damit verzichten die Helfer*innen aber letzlich auf den 
gerechten Lohn für ihre Arbeit - sie haben zwar das Projekt verbessert, aber 
nur Wertschöpfung ohne Gegenleistung für die Rechteinhaberin erzeugt.

Manchmal geht das Modell sogar eine Zeit lang gut, indem man brav versichert, 
dass man zu den Guten gehört. Langfristig (siehe Elasticsearch) müssen die 
ehrenamtlichen Helfer*innen aber einsehen, dass die "nichtkommerzielle" Lizenz 
erst recht heißt, dass jemand anderer Kapital aus den eigenen Leistungen 
schlägt.


> Kennt jemand irgendeine Software-Lizenz, die in etwa CC-BY-SA-NC
> entspricht? Wenn nein - warum gibt es sowas nicht?

Es gibt/gab schon immer wieder Versuche zu solchen Lizenzen. Ich weiß nicht, 
wie gut sie der CC-BY-SA-NC entspricht, aber Aladdin Free Public License [1] 
wäre so eine Lizenz.
Kann durchaus für Nischenprodukte funktionieren - ist halt sehr von den 
Umständen abhängig.


Liebe Grüße,
  Johannes


[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Aladdin_Free_Public_License




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