FSFE ruft RMS zum Ruecktritt auf...

Dr. Michael Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Sa Mär 27 09:54:08 UTC 2021


Hallo,

Am 27.03.21 um 00:45 schrieb Christian Imhorst:

> Jede und jeder kann seine Meinung haben. Das Recht auf freie
> Meinungsäußerung ist fundamental, aber warum darf die Meinungsäußerung
> keine Konsequenzen haben? Ich und andere dürfen sagen, was wir von einer
> intoleranten und ableistischen Meinung halten. Wir dürfen auch die
> Konsequenz daraus ziehen, mit keiner Organisation mehr zusammenarbeiten
> zu wollen, die dieses Verhalten billigt oder intolerante Meinungen
> toleriert.
> 

Freiheit hat Voraussetzungen beispielsweise gesellschaftlicher und
individueller Natur.

Eine wichtige Voraussetzung für Meinungsfreiheit ist Toleranz. Tolerenz
beginnt aber erst dort, wo es weh tut - vorher ist es Gleichgültigkeit.

Wenn jemand nur Meinungen äußern darf, die niemanden verletzen können,
ist er in seiner Meinungsäußerungsfreiheit erheblich beeinträchtigt.

Und wenn man dieser Person zwar Meinungsfreiheit zubilligt, ihm aber
andere Rechte beschneiden möchte, beispielsweise sich in Gemeinschaft
mit anderen für Freie Software und Offene Standards einzusetzen, und
dies dann auch noch von den anderen fordert, dann kann man das als
intolerant charakterisieren.

Fraglich ist aber, ob es der Freien-Software-Bewegung wirklich dient,
wenn viele maßgeblich Aktive als intolerant wahrgenommen werden können.

Man kann das Verhalten der Boardmitglieder der FSF und auch das von RMS
als provokativ auffassen. Man mag es unklug nennen. Das gilt aber meiner
Meinung nach auch für viele Reaktionen hierauf.

Wie sollen wir aber damit umgehen?

Meiner Meinung nach sollte wir erst einmal Tatsachenbehauptungen und
(wertende) Meinungsäußerungen, so gut es geht, sorgfältig von einander
trennen. Dann sollten wir Tatsachenbehauptungen sorgfältig prüfen - und
zwar nicht nur jeder für sich, sondern auch gerade im Dialog mit anderen.

Bei allen Äußerungen sollten wir alle denkbaren Auslegungen in Erwägung
ziehen und nicht nur die, die die andere Person "schlecht aussehen"
lassen. Das erscheint mir ein Gebot der Fairness. Wir sollten auch
extrem vorsichtig sein, vom Verhalten auf den Charakter zu schließen.
Wir sollten der anderen Person auch zugestehen, dass ihre Möglichkeiten
begrenzt sind, und sie gelegentlich auch hinter ihren Möglichkeiten
zurückbleibt.

Wenn wir etwas von einer anderen Person fordern, dann sollten wir die
Forderung so an sie herantragen, dass sie Verständnis für diese
Forderung haben kann und in autonomer Entscheidung die Forderung
erfüllen kann.

Andernfalls werden Sieger und Besiegte, Gewinner und Verlierer, Täter
und Opfer generiert, was, wie die historische Erfahrung lehrt, viel Leid
verursachen kann.

Wir müssen uns daran messen lassen, wie wir Konflikte austragen und
lösen. Maßstab hierfür sind dabei die Werte, die wir leben wollen.

Schließlich sollten wir auch die Konsequenzen bedenken: Die Forderungen
einer in sich zerstrittenen, sich gegenseitig bekämpfenen Gruppe werden,
auch von sie noch so berechtigt sind, von Politik und Gesellschaft
erfahrungsgemäß nicht ernst genommen werden.

Mit freundlichem Gruß
Michael

-------------- nächster Teil --------------
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