FSFE ruft RMS zum Ruecktritt auf... wtf?

Florian Snow floriansnow at fsfe.org
Do Mär 25 21:30:06 UTC 2021


Hallo Geza,

danke für deine ehrliche Kritik!  Ich versuche dir mal meinen ganz
persönlichen Eindruck zu schildern (ich spreche also jetzt nicht für die
FSFE).  Mich nimmt diese Situation auch ziemlich mit, weil ich mir
insgesamt eine andere Entwicklung gewünscht hätte.  Auch ich habe mich
zunächst gefreut, als ich z.B. gehört habe, dass Richard Stallman bei
Libreplanet spricht.  Ich hatte den Eindruck, dass es vielleicht so
ähnlich läuft wie bei Linus Torvalds, der sich eine Auszeit genommen
hat, sich mit seinem Verhalten beschäftigt hat und dann mit veränderter
Haltung zurückgekommen ist.  Soweit ich das weiß hat das gut
funktioniert, aber ich kenne nicht alle Details darüber wie es jetzt
läuft.

Bei RMS ist es anders gelaufen.  Er fällt seit Jahren immer wieder durch
schlechtes Verhalten auf.  Damit meine ich nicht die Dinge, die immer
wieder bei Heise oder bei Golem genannt werden.  Da fehlt oft
tatsächlich zumindest der Kontext (wobei es auch der Kontext nicht
problemfrei macht).  Aber es gibt es noch anderes problematisches
Verhalten.  Es schadet z.B. unserer Bewegung wenn man auf
Veranstaltungen zu Freier Software, sich auch zu völlig anderen Themen
äußert, die Menschen vor den Kopf stoßen.  Aber auch wenn man das alles
ausblendet, bleiben noch problematische Dinge.  Z.B., dass RMS auch
immer wieder genervt und aggressiv auftritt wenn Menschen versehentlich
den falschen Begriff verwenden.  Und ja, ich habe auch schon persönlich
das genaue Gegenteil erlebt, wo er sehr gutmütig reagiert hat, aber das
gleicht sich ja nicht aus.  Und sowas verschreckt auch gerade Leute, die
neu zu unserer Bewegung kommen, die noch nicht alles wissen, aber
begeistert von der Sache sind und dazulernen wollen.  Das ist ein
Problem wenn die Gefahr laufen, für einen Fehler angeschrien zu werden.
Es ist auch ein Problem, wenn Menschen, die ihm bei etwas helfen, völlig
ignoriert werden und man in der Interaktion den Eindruck hat, dass man
als Mensch gar keinen Bedeutung hat, sondern es nur darum geht, dass er
halt gerade einen Wecker oder einen Stift oder was auch immer braucht
und nichts anderes zählt.  Und manche dieser Verhaltensweisen kann man
ihm erklären und dann ändert sich manchmal was.  Aber das bleibt immer
sehr begrenzt und in ähnlich gelagerten Fällen ändert sich das Verhalten
nicht.  Und ja, ich neige dazu sowas zu entschuldigen, weil er halt so
auf die Sache fokussiert ist und vielleicht ohne eine gewisse
Starrsinnigkeit diese ganze Bewegung nicht entstanden wäre.  Und ja, ich
kenne auch andere Seiten von ihm, wo er extrem liebenswürdig ist und
Gastgebern freundlich gegenübertritt und ihnen Geschenke mitbringt.
Aber auch da hebt halt das gute Verhalten nicht das schlechte auf, vor
allem nicht, weil es sich auf verschiedene Personen bezieht.  Das alles
schadet uns schon seit langem, weil es Leute von unserer Community
abschreckt.

Aber selbst wenn man auch das noch alles ausblendet, gibt es noch mehr
Probleme.  Unterstellen wir mal, dass sämtliche Aussagen von RMS, die
andere Menschen problematisch fanden, nur Missverständnisse waren.  Bei
mir persönlich ist das so, dass wenn mir jemand sagt "Du, das was du
grad gesagt hast, ärgert mich" oder sowas in der Richtung, dann ist
meine erste Reaktion "Oh, das tut mir leid." Und dann versucht man das
in Zukunft zu vermeiden.  Man kann ja oft Sachen auch weniger
konfrontativ sagen und man muss auch nicht jeden Gedanken immer mit
jedem Menschen teilen.  Man kann auch mal nichts sagen (auch wenn es
schwer fällt - ich kenne das von mir).  Bei RMS war die Antwort aber zu
oft "Das, was ich gesagt habe war richtig, weil." oder "Es gibt keinen
Grund sich aufzuregen, weil meine Behauptung aus diesen Gründen stimmt."
Das mag alles sein, aber das ist selbst bei extrem positiver Auslegung
zumindest ein äußert schlechter Kommunikationsstil.

Und wenn ich dann mit den gleichen problematischen Aussagen Leute immer
wieder vor den Kopf stoße und das zudem noch grundlos ist, weil es mit
meiner Aufgabe, Freie Software voranzubringen, nichts zu tun hat, dann
stellt sich irgendwann die Frage, ob das noch vereinbar ist.  Wenn ich
so eine Öffentlichkeit habe, muss ich halt manche Ideen für mich
behalten, auch weil ich sonst der Sache schade.  Oder wenn ich diese
Dinge unbedingt sagen möchte, dann sollte ich diese Führungsposition
vielleicht abgeben, um nicht der Sache zu schaden.  Und da sind jetzt
schon sehr viele Dinge sehr wohlwollend ausgelegt.

Irgendwann kommt aber auch der Punkt, wo man sich fragen muss, ob
jemand, der immer wieder Aussagen macht, die andere verletzen, sich das
nicht doch auch zu eigen macht.  Egal ob es so gemeint ist.  Beispiel
(bewusst nichts, was RMS vorgeworfen wird): Wenn jemand immer wieder
rassistische Formulierungen oder Wörter verwendet, auch nachdem er
darauf hingewiesen wird, macht sich derjenige nicht zumindest irgendwann
diese rassistischen Aussagen zu eigen, selbst wenn es nicht so gemeint
ist?  Genau so ist es hier leider auch.

Wie gesagt, das war jetzt alles vor dem Hintergrund einer wohlwollenden
Auslegung und einer isolierten Betrachtung der verschiedenen Probleme.
Praktisch wirken diese Probleme aber zusammen und schrecken Menschen,
die bei uns mitwirken wollen, ab.  Das kann nicht das Ziel sein.  Und
wenn dann die Bekanntgabe der Rückkehr keinerlei Selbstreflexion zeigt,
sondern nur "manche werden froh sein, manche nicht, wer weiß, aber so
ist es halt.  Ich habe nicht vor wieder zurückzutreten", dann ist
spätestens da Schluss.  So kann man nicht mit Menschen umgehen.

Deswegen stehe ich auch mit Überzeugung hinter dem Statement der FSFE.
Wir haben uns das nicht leicht gemacht, weil es kein leichtes Thema ist.
Aber irgendwann ist einfach der Punkt erreicht, wo man sich eingestehen
muss, dass es egal ist, aus welchem Grund jemand andere Menschen
verletzt.  Wenn das mal passiert, ok, das ist menschlich, aber wenn es
immer und immer wieder passiert, dann ist es egal, ob diese Person das
nicht besser kann oder nicht besser will.  Man ist dann schlicht
ungeeignet für eine solche Führungsrolle, egal was die sonstigen
Verdienste sind.  Das wiegt sich nicht auf.  Und es tut mir im Herzen
weh, dass es kein anderes Ergebnis gegeben hat.  Ich hätte mir
gewünscht, dass es eine gemeinsame Zukunft geben kann, aber dazu hätte
RMS sein Verhalten auch ändern müssen.  Spätestens am jetzigen Punkt
muss man schlicht aufzeigen, dass dieses Verhalten, egal was die Gründe
dahinter sind, nicht akzeptabel ist, und das wirkt sich dann eben auch
auf Organisationen aus, die das stützen.

Das hat aber keine direkte Auswirkung auf Menschen, die sich bei uns
beteiligen wollen und der FSF auch Geld oder personelle Unterstützung
geben wollen.  Wir machen ja keine Gesinnungsprüfungen.  Es steht jeder
Person frei, beliebige Organisationen zu unterstützen.

Happy hacking!
Florian


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