Re: Umsteig auf Freie Software, Betriebssystem später? (Re: Interessantes Interview)

Luc Saffre luc.saffre at gmx.net
Mo Mär 22 06:40:31 UTC 2021


Hallo Michael,

danke für Deine Rückmeldung. Ja, das gibt mir schon zu denken. Kann
durchaus sein, dass meine Vision unrealisierbar ist.

Noch kurz abschließend und ohne Hoffnung auf Verständnis ein paar
Antworten auf Deine Bedenken (soweit ich die verstanden habe):
Rechtsschutz für Autoren würde ja sogar noch besser, wenn Juristen ihre
Energie nicht mehr mit der Sisyphusarbeit des Bestrafens von "Piraten"
vergeuden müssen, sondern sich auf echte Autorenrechtsverletzungen wie
Plagiat, Fälschung oder Verleumdung konzentrieren können. Kann sein,
dass einige Anbieter  noch eine Zeitlang ihren Quellcode geheim halten
und kompilierte Software verkaufen, aber die haben dann keine legale
Möglichkeit, gegen Kopien vorzugehen, und sobald ein Mitarbeiter den
Source-Code leakt, ist auch dieses Spiel aus, die können ihn dann
höchstens feuern, nicht aber rechtlich gegen ihn vorgehen. Guter Wille
ist auf beiden Seiten (Entwickler wie Anwender) /eigentlich/ schon jetzt
zur Genüge vorhanden, das liegt in der Natur des Menschen. Mir als
Entwickler macht es doch Freude, wenn der Endbenutzer sich verstanden
fühlt. Und dem Endbenutzer macht es doch Freude, mitzudenken, wenn er
denn die Möglichkeit dazu hat. Ich funktioniere seit zwanzig Jahren
erfolgreich damit. Aber eben nur mit kleinen Betrieben. Bei den Großen
geht es nicht um Wille, sondern um Geld und Macht. Damit Freie Software
auch in größeren Betrieben professionell nutzbar wird, bedarf es starker
juristischer Personen, die die Konkurrenz von Imperien wie Microsoft,
Apple oder SAP überleben. Jeder Konkurrenzkampf ist zum Scheitern
verurteilt, solange proprietäre Software dem Entwickler den systemischen
Vorteil gibt, sein geistiges "Eigentum" als Kapital nutzen zu können.
Ich sehe keine andere Möglichkeit als eine Änderung im System, einen
Übergang vom Kopier-Recht zum Autoren-Recht. Ich selber glaube das
einfach, aber beweisen kann ich's nicht.

Ich bin aber nur ein kleiner Anwendungsentwickler und will euch -und
mich selbst- eigentlich gar nicht weiter mit meinen Visionen belästigen.

Luc


On 18.03.21 15:31, Dr. Michael Stehmann wrote:
> Hallo Luc,
>
> ich vermag Deine Auffassung in zweierlei Hinsicht nicht zu teilen:
>
> 1. Gerade Freie Software bedarf des Schutzes des Urheberrechts bzw.
> Copyrights. Diese Erkenntnis hat sehr schnell zum "Hack" des Copylefts
> geführt. Denn im Gegensatz zu allen anderen Sprachwerken kann Software,
> wenn sie kompiliert verbreitet wird, nicht ohne Weiteres und
> Schwierigkeiten studiert oder verändert werden, selbst wenn dies
> rechtlich erlaubt wäre.
>
> 2. Mangelnder Schutz proprietärer Software führt nicht ohne Weiteres zur
> Entwicklung professionell einsetzbarer Freier Software.
>
> Hierzu ist vielmehr zweierlei nötig: seitens der Entwickler der Wille
> derartige Software zu entwickeln, sich also mit den Bedürfnissen und
> Arbeitsprozessen von Menschen in Berufen auseinander zu setzen, die
> ihnen oft sehr fremd sind.
>
> Und andererseits die Bereitschaft der Anwender, auch kollektiv die
> Entwicklung entsprechender Software zu finanzieren, die als Freie
> Software dann womöglich auch von Konkurrenten eingesetzt werden kann,
> die sich an der Finanzierung der Entwicklung nicht beteiligt haben.
>
> Um ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen, sind - trotz aller
> Anstrengungen und Fortschritte - auf beiden Seiten noch "dicke Bretter
> zu bohren".
>
> Gruß
> Michael
>
>
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