git + emal + gpg + tor -> Online Wahlsystem?

Carsten Knoll carsten.knoll at posteo.de
Di Nov 10 10:49:39 UTC 2020


Hallo nochmal,

On 10.11.20 05:47, Ilu wrote:
> Hallo Carsten,
> 
> Deine Argumente für Online-Wahlen habe habe ich in meinem "rant" alle
> widerlegt. Leider gehst darauf nicht ein. Waren meine Formulierungen zu
> spitz, zu provokant? 
Ehrlich gesagt: ja (siehe andere Mail).

Kommunikationstipp: Dem eigenen Ärger in sachlicher Form Ausdruck
verleihen und sich nicht "gehen lassen". Deine Mail war noch voll im
akzeptablen Rahmen aber zeigte doch Anknüpfungspunkte für potenzielle
weitere Eskalation. Darauf hatte ich gestern keine Lust. Ich glaube, die
Verantwortung von kommunikativer Eskalationsvermeidung muss möglichst
von allen und möglichst immer wahrgenommen werden.


> Sicherlich, denn ich ärgere mich mit genau diesem
> Thema ganz praktisch seit mehreren Jahren rum.

Verstehe ich. Aber deswegen möchte ich trotzdem nicht Zielscheibe des
(aufgestauten) Ärgers werden.


> Ich kann auch Vereine nur
> warnen ...

Ich glaube das kommt halt auf die Umsetzung an. Auch Papierwahlen in
Vereinen können massiv korrumpiert werden.


> 
> Noch eine Bemerkung zu Deinen Beispielen "Belarus, Tansania, USA": Zwei
> Staaten am Rande zur Diktatur (oder gut jenseits davon) und ein Staat,
> der seit langem elektronische Wahlsysteme einsetzt. Klar.

Ich bin der letzte, der das aktuelle US-Wahlsystem und seine
offensichtlichen und eklateanten Schwächen auf den unterschiedlichen
Ebenen verteidigt. Aber die aktuellen Manipulationsvorwürfe beziehen
sich, soweit ich das mitbekommen habe, auf die Papier-Ebene ("neue
Wahlurnen mit erfundenen Stimmen") und nicht auf die elektronische Ebene.

Nur um das klarzustellen: Nach meiner Kenntnis sind die Vorwürfe
unglaubwürdig. Mich treibt aber die Frage um, warum sie trotzdem so
viele glauben, bzw. wie man das besser machen könnte.


Noch zu Belarus und Tansania: Es ist ja nich so, dass das weltweit die
totalen Ausnahmen wären. Eher im Gegenteil.

These: Wenn die wirtschaftlich erfolgreichen liberalen Demokratien ein
Vorbild wären und ein sicheres Online-Wahlsystem einführen würden, dann
gäbe es in den Diktaturen dieser Welt ebenfalls einen starken Druck das
zu tun. Und dann wären dort Manipulationen viel schwieriger. Ich wurde
in einem Staat geboren in dem bei Papierwahlen, die als frei und gerecht
bezeichnet wurden, Zustimmungswerte von 90% und mehr erreicht wurden.
Vielleicht rührt daher meine Weigerung dieses Prinzip so bedingungslos
über den grünen Klee zu loben. :)

Zum Glück laufen in der BRD die Wahlen viel viel besser ab. Und zwar
weil auf vielen Detailebenen andere Regeln gelten und umgesetzt werden.

Das zeigt mir aber, dass man von einem oder auch mehreren schlechten
Umsetzungsbeispielen nicht auf die grundsätzliche Unbrauchbarkeit eines
Prinzips schließen kann. Und die gleiche Logik beanspruche ich für
Online-Wahlen.


Gruß,
Carsten.





> 
> Viele Grüße
> Ilu
> 
> Am 09.11.20 um 06:14 schrieb Ilu:
>> Hallo Carsten,
>>
>> da schreib ich doch gleich mal meinen Guten-Morgen rant:
>>
>> 1. Wahlsysteme bestehen aus Software und Hardware. Du überlegst Dir da
>> ein System, bei dem Du der Software vertraust. Es gibt aber keine
>> vertrauenswürdige Hardware. Damit ist das aus technischer Sicht erledigt.
>>
>> 2. Du verstehst vielleicht, was Du da vorschlägst. Wer sonst noch? Oma
>> Erna? Otto Normal? Kevin und Mandy?
>>
>> 3. Wer kontrolliert den Einsatz? Die Server? Die unter der
>> vollständigen Kontrolle von Google, Microsoft, Apple, Intel ...
>> stehenden Endgeräte?
>>
>> 4. Linux live distribution? Dazu fällt mir doch spontan ein berühmtes
>> Zitat ein: "Erm, we have root." (Mark Shuttleworth, Ubuntu CEO).
>> Sobald ein Rechner am Internet hängt, passieren Dinge, die Du erlauben
>> musst (Sicherheitsupdates) aber nicht kontrollieren kannst. Viel Raum
>> für Verschwörungserzählungen und für Manipulation.
>>
>> 5. Nicht auf Mobilgeräten? Wer hat in 10-20 Jahren überhaupt noch
>> einen privaten PC? Schau Dir mal die Marktanteile oder die Umfragen in
>> den Schulen an: Der Zug rast Richtung mobile-only. Deine free hardware
>> will niemand, die passt nicht ins Wohnzimmer-Design und spricht nicht
>> mit Alexa. Und zocken kann man damit auch nicht.
>>
>> 6. Umsetzen wird es nachher eines der großartigen Unternehmungen, die
>> uns so geniale Projekte wie die Gesundheitsakte, die Telemetrie beim
>> Arzt oder auch das Anwaltspostfach beschert haben. In welcher Welt
>> lebst Du?
>>
>> 7. Es gibt bereits Wahlsoftware, wird hier zB bei Universitätswahlen
>> eingesetzt. Die hiesige Informatikfachschaft hat angesichts der
>> Umsetzung Schreikrämpfe gekriegt. Es hatte leider keiner Mut/Nerv/Geld
>> für eine Klage. Jede Propagierung des Themas verschafft den 1-2 Firmen
>> in dem Marktsegment neues Geschäft. Bisher schützt uns noch das
>> Bundesverfassungsgericht, aber wie lange noch?
>>
>> 8. Menschen sind Augentiere. Tasten können sie auch halbwegs gut.
>> Diese Sinne haben sich in Jahrmillionen etabliert. Bei elektronischen
>> Wahlsystemen gibt es weder etwas zu sehen noch etwas zu tasten.
>> Deshalb wird ein solches System und alles, was daran hängt, immer mit
>> Misstrauen behaftet sein. Elektronische Wahlsysteme sind aus rein
>> anthropologisch-psychologischen Gründen der Anfang vom Untergang für
>> eine Demokratie.
>>
>> 9. Jede/r Bürger/in kann Wahlhelfer werden. Eine bessere Möglichkeit
>> zur unmittelbaren Kontroll-Erfahrung gibt es nicht. Wer den Job selbst
>> nicht macht, sieht jedenfalls, wie andere ihn machen und weiß "wenn
>> ich wollte, könnte ich". Nur das, was alle Bürger selbst, mit eigenen
>> Kenntnissen und den eigenen Sinnen nachvollziehen können, kann
>> Vertrauen aufbauen. Und mit alle meine ich wirklich jede/n
>> Wahlberechtigte/n, unabhängig von Bildung usw.
>>
>> Die beiden letzten Punkte sind die wichtigsten, weshalb elektronische
>> Wahlsysteme **NIEMALS** gestattet werden sollten. Bisher haben wir die
>> Auszählung immer manuell hingekriegt und das werden wir auch
>> weiterhin. Für Corona haben wir Briefwahl. Daß ein failed state wie
>> die USA mit einem ohnhin völlig verkorksten System Probleme hat,
>> sollte uns nicht dazu bewegen, unser bewährtes System aufzugeben.
>>
>> Jede Diskussion über ein Abrücken vom Papierwahlsystem schadet massiv
>> unserer Demokratie und das ist das letzte, das allerletzte, was wir
>> jetzt noch gebrauchen können.
>>
>> Viele Grüße
>> Ilu
>>
>>
>> Am 09.11.20 um 00:45 schrieb Carsten Knoll:
>>> Hallo Leute,
>>>
>>> ich bin wahrscheinlich nicht der einzige, der zur Zeit etwas unzufrieden
>>> mit dem Funktionieren der Demokratie und insbesondere der Durchführung,
>>> Auswertung und Überzeugungskraft von Wahlen ist.
>>>
>>> Als Frustrationstherapie habe ich mir ein Schema überlegt, wie sich auf
>>> Basis von etablierten freien Tools eine Wahl durchführen lassen müsste,
>>> die für alle transparent nachprüfbar und trotzdem anonym ist.:
>>>
>>> URLs:
>>> https://github.com/cknoll/git-voting
>>> https://codeberg.org/cknoll/git-voting (leider ohne Bilder)
>>>
>>> Titel: *Proposing a Verifiable Anonymous Voting System Based on Git,
>>> Email, GPG, and Tor*
>>>
>>> Aus meiner Sicht verschaffen die Pandemie und der
>>> US-Wahl-Glaubwürdigkeitskonflikt dem Thema "Online-Wahl" (und einem
>>> potentiell daran festgemachten Loblied auf Freie Software und
>>> Anonymisierungstools) gerade eine gute medial Bühne.
>>>
>>> Ich könnte mir folgendes vorstellen:
>>>
>>> 1. Den Text zu einem guten Blog-Beitrag aufzubohren und damit ggf. ein
>>> bisschen Medienecho zu generieren. Nicht als Selbstzweck, sondern um die
>>> Wichtigkeit von Verschlüsselung und Annonymisierung hervorzuheben.
>>>
>>> 2. Eine Prototyp-Implementierung angehen. Da nur ausgereifte Tools
>>> verwendet werden, sollte der Aufwand, um diese zusammenzubinden,
>>> überschaubar sein. Dieser Prototyp könnte dann z.B. bei den anstehenden
>>> Online-Parteitagen zum Einsatz kommen, und ganz nebenbei der Politik die
>>> Nützlichkeit von Freier Software demonstrieren.
>>>
>>>
>>> Für beides würde ich mich über Anregungen und Unterstützung freuen. Noch
>>> wichtiger wäre aber Feedback, wo der Ansatz ggf. systemische
>>> Schwachstellen hat.
>>>
>>>
>>> Gruß,
>>> Carsten
>>>
>>>
>>>
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