git + emal + gpg + tor -> Online Wahlsystem?

Ilu ilu at fsfe.org
Di Nov 10 04:47:55 UTC 2020


Hallo Carsten,

Deine Argumente für Online-Wahlen habe habe ich in meinem "rant" alle 
widerlegt. Leider gehst darauf nicht ein. Waren meine Formulierungen zu 
spitz, zu provokant? Sicherlich, denn ich ärgere mich mit genau diesem 
Thema ganz praktisch seit mehreren Jahren rum. Ich kann auch Vereine nur 
warnen ...

Noch eine Bemerkung zu Deinen Beispielen "Belarus, Tansania, USA": Zwei 
Staaten am Rande zur Diktatur (oder gut jenseits davon) und ein Staat, 
der seit langem elektronische Wahlsysteme einsetzt. Klar.

Nur zwei meiner Argumente waren genereller Art (die hat Florian dann 
aufgegriffen), die ersten sieben Argumente waren technisch-praktisch.
Du ignorierst sie. Schade.

Viele Grüße
Ilu

Am 09.11.20 um 06:14 schrieb Ilu:
> Hallo Carsten,
> 
> da schreib ich doch gleich mal meinen Guten-Morgen rant:
> 
> 1. Wahlsysteme bestehen aus Software und Hardware. Du überlegst Dir da 
> ein System, bei dem Du der Software vertraust. Es gibt aber keine 
> vertrauenswürdige Hardware. Damit ist das aus technischer Sicht erledigt.
> 
> 2. Du verstehst vielleicht, was Du da vorschlägst. Wer sonst noch? Oma 
> Erna? Otto Normal? Kevin und Mandy?
> 
> 3. Wer kontrolliert den Einsatz? Die Server? Die unter der vollständigen 
> Kontrolle von Google, Microsoft, Apple, Intel ... stehenden Endgeräte?
> 
> 4. Linux live distribution? Dazu fällt mir doch spontan ein berühmtes 
> Zitat ein: "Erm, we have root." (Mark Shuttleworth, Ubuntu CEO). Sobald 
> ein Rechner am Internet hängt, passieren Dinge, die Du erlauben musst 
> (Sicherheitsupdates) aber nicht kontrollieren kannst. Viel Raum für 
> Verschwörungserzählungen und für Manipulation.
> 
> 5. Nicht auf Mobilgeräten? Wer hat in 10-20 Jahren überhaupt noch einen 
> privaten PC? Schau Dir mal die Marktanteile oder die Umfragen in den 
> Schulen an: Der Zug rast Richtung mobile-only. Deine free hardware will 
> niemand, die passt nicht ins Wohnzimmer-Design und spricht nicht mit 
> Alexa. Und zocken kann man damit auch nicht.
> 
> 6. Umsetzen wird es nachher eines der großartigen Unternehmungen, die 
> uns so geniale Projekte wie die Gesundheitsakte, die Telemetrie beim 
> Arzt oder auch das Anwaltspostfach beschert haben. In welcher Welt lebst 
> Du?
> 
> 7. Es gibt bereits Wahlsoftware, wird hier zB bei Universitätswahlen 
> eingesetzt. Die hiesige Informatikfachschaft hat angesichts der 
> Umsetzung Schreikrämpfe gekriegt. Es hatte leider keiner Mut/Nerv/Geld 
> für eine Klage. Jede Propagierung des Themas verschafft den 1-2 Firmen 
> in dem Marktsegment neues Geschäft. Bisher schützt uns noch das 
> Bundesverfassungsgericht, aber wie lange noch?
> 
> 8. Menschen sind Augentiere. Tasten können sie auch halbwegs gut. Diese 
> Sinne haben sich in Jahrmillionen etabliert. Bei elektronischen 
> Wahlsystemen gibt es weder etwas zu sehen noch etwas zu tasten. Deshalb 
> wird ein solches System und alles, was daran hängt, immer mit Misstrauen 
> behaftet sein. Elektronische Wahlsysteme sind aus rein 
> anthropologisch-psychologischen Gründen der Anfang vom Untergang für 
> eine Demokratie.
> 
> 9. Jede/r Bürger/in kann Wahlhelfer werden. Eine bessere Möglichkeit zur 
> unmittelbaren Kontroll-Erfahrung gibt es nicht. Wer den Job selbst nicht 
> macht, sieht jedenfalls, wie andere ihn machen und weiß "wenn ich 
> wollte, könnte ich". Nur das, was alle Bürger selbst, mit eigenen 
> Kenntnissen und den eigenen Sinnen nachvollziehen können, kann Vertrauen 
> aufbauen. Und mit alle meine ich wirklich jede/n Wahlberechtigte/n, 
> unabhängig von Bildung usw.
> 
> Die beiden letzten Punkte sind die wichtigsten, weshalb elektronische 
> Wahlsysteme **NIEMALS** gestattet werden sollten. Bisher haben wir die 
> Auszählung immer manuell hingekriegt und das werden wir auch weiterhin. 
> Für Corona haben wir Briefwahl. Daß ein failed state wie die USA mit 
> einem ohnhin völlig verkorksten System Probleme hat, sollte uns nicht 
> dazu bewegen, unser bewährtes System aufzugeben.
> 
> Jede Diskussion über ein Abrücken vom Papierwahlsystem schadet massiv 
> unserer Demokratie und das ist das letzte, das allerletzte, was wir 
> jetzt noch gebrauchen können.
> 
> Viele Grüße
> Ilu
> 
> 
> Am 09.11.20 um 00:45 schrieb Carsten Knoll:
>> Hallo Leute,
>>
>> ich bin wahrscheinlich nicht der einzige, der zur Zeit etwas unzufrieden
>> mit dem Funktionieren der Demokratie und insbesondere der Durchführung,
>> Auswertung und Überzeugungskraft von Wahlen ist.
>>
>> Als Frustrationstherapie habe ich mir ein Schema überlegt, wie sich auf
>> Basis von etablierten freien Tools eine Wahl durchführen lassen müsste,
>> die für alle transparent nachprüfbar und trotzdem anonym ist.:
>>
>> URLs:
>> https://github.com/cknoll/git-voting
>> https://codeberg.org/cknoll/git-voting (leider ohne Bilder)
>>
>> Titel: *Proposing a Verifiable Anonymous Voting System Based on Git,
>> Email, GPG, and Tor*
>>
>> Aus meiner Sicht verschaffen die Pandemie und der
>> US-Wahl-Glaubwürdigkeitskonflikt dem Thema "Online-Wahl" (und einem
>> potentiell daran festgemachten Loblied auf Freie Software und
>> Anonymisierungstools) gerade eine gute medial Bühne.
>>
>> Ich könnte mir folgendes vorstellen:
>>
>> 1. Den Text zu einem guten Blog-Beitrag aufzubohren und damit ggf. ein
>> bisschen Medienecho zu generieren. Nicht als Selbstzweck, sondern um die
>> Wichtigkeit von Verschlüsselung und Annonymisierung hervorzuheben.
>>
>> 2. Eine Prototyp-Implementierung angehen. Da nur ausgereifte Tools
>> verwendet werden, sollte der Aufwand, um diese zusammenzubinden,
>> überschaubar sein. Dieser Prototyp könnte dann z.B. bei den anstehenden
>> Online-Parteitagen zum Einsatz kommen, und ganz nebenbei der Politik die
>> Nützlichkeit von Freier Software demonstrieren.
>>
>>
>> Für beides würde ich mich über Anregungen und Unterstützung freuen. Noch
>> wichtiger wäre aber Feedback, wo der Ansatz ggf. systemische
>> Schwachstellen hat.
>>
>>
>> Gruß,
>> Carsten
>>
>>
>>
>>
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