git + emal + gpg + tor -> Online Wahlsystem?

Florian Snow floriansnow at fsfe.org
Mo Nov 9 21:03:58 UTC 2020


Hallo Carsten,


Carsten Knoll <carsten.knoll at posteo.de> writes:
> Als Frustrationstherapie habe ich mir ein Schema überlegt, wie sich auf
> Basis von etablierten freien Tools eine Wahl durchführen lassen müsste,
> die für alle transparent nachprüfbar und trotzdem anonym ist.:

Das Thema elektronische Wahlen taucht immer mal wieder auf, hier bei
uns, aber auch allgemein und ich denke es ist wichtig, dass man sich
damit ernsthaft auseinandersetzt, weil oft viele Hoffnungen damit
verbunden werden.


> URLs:
> https://github.com/cknoll/git-voting
> https://codeberg.org/cknoll/git-voting (leider ohne Bilder)

Das sieht sehr interessant aus und auch wenn ich es etwas anders
formuliere als Ilu, stimme ich inhaltlich zu.  Die Probleme, die es bei
Wahlen gibt, sind nicht in erster Linie technischer Natur.  Man braucht
ein Wahlsystem, das möglichst viele Vorteile bietet und wenig Nachteile,
wobei es aber nicht möglich ist, nur die Vorteile zu kombinieren.  Ein
wichtiger Vorteil muss aber immer die Verständlichkeit sein, denn es
soll ja jeder nachvollziehen können, warum jemand anderes die Wahl
gewonnen hat.  Das macht es schon nicht ganz einfach, aber das sind
keine technischen Fragen.

Manche Auszählungen dauern lange und dann kommt der Ruf nach technischen
Lösungen, die das beschleunigen sollen.  Aber auch das ist oft ein
Trugschluss, denn die Länder wie z.B. die USA, die dann doch recht
langsam zählen, setzen schon auf technische Lösungen.  Zumindest in
Deutschland sind Wahlen doch in der Regel sehr schnell ausgezählt,
innerhalb von ein paar Stunden.  Dort wo es länger dauert, ist in der
Regel das Wahlsystem verantwortlich (z.B. erlaubt Bayern bei
Kommunalwahlen freies Panaschieren und Kumulieren, was den Zählaufwand
deutlich erhöht).  Das könnte man theoretisch mit technischen Mitteln
lösen.

Leider haben aber die technischen Systeme unlösbare Nachteile, z.B. dass
man nicht verifizieren kann, ob die Software, die vielleicht als Freie
Software zur Verfügung steht, auch wirklich die ist, die auf dem
Wahlcomputer läuft.  Aber selbst wenn das möglich wäre, kann aktuell
jeder eine Wahl kontrollieren, denn ich schau früh in die Kiste, ob die
keinen doppelten Boden hat und leer ist und abends schau ich wenn sie
aufgemacht wird und ob noch von woanders irgendwelche Stimmzettel
kommen.  Wenn das alles passt, weiß ich, die Wahl passt.  Bei
elektronischen Wahlen können nur noch Experten diese Prüfung vornehmen
und das ist ein Problem.

Es gibt natürlich noch weitere Probleme, z.B. die deutlich höheren
Kosten von elektronischen Wahlen (auch wenn das anders versprochen wird)
und nicht zuletzt die Sicherheit.  Bei unseren Papierwahlen ist eine
Manipulation, z.B. durch Geheimdienste nur schwer vorstellbar.

Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht elektronische Wahlen
untersagt und die FSF/GNU ein Projekt für ein freies Wahlsystem
eingestellt[0].

Wo solche Systeme aber interessant sind, ist bei Vereinen, gerade im
Moment.  Da sind die Hürden nicht ganz so hoch, das Vertrauen zwischen
allen Organisatoren der Wahlen auch höher, weil sich viel mehr Personen
kennen und dort ist sowas nützlich.  Da gibt es auch schon gute
Lösungen, z.B. hat die FSFE für die diesjährige Mitgliederversammlung
OpenSlides[1] eingesetzt, das neben den Wahlen auch noch ein paar mehr
Funktionen bietet.  Es gibt also gute Verwendungen, nur halt nicht für
allgemeine Wahlen.

Happy hacking!
Florian

[0] https://www.gnu.org/software/free/
[1] https://openslides.com


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