Befreiung der Haushalte, der Behörden, ... von Microsoft-Software (ein Beispiel)

Theo Schmidt sus2006 at bluewin.ch
Mi Mai 13 09:42:23 UTC 2020


Am 12.05.2020 um 10:17 schrieb Kristian Rink:
> Hi Theo, *;
>
...
> Das Thema halte ich insofern schon für interessant, aber hier sehe ich
> zwei Baustellen, die mit FLOSS nur am Rande zu tun haben, für die ich
> aber keine Lösung kenne:
>
>
> - Allgemein: .... Dort stelle ich mir manchmal
> schon die Frage, wie "effizient" ein KMU mit eigenem Serverraum hier ist
> im Vergleich zu Google oer Amazon, die das in extrem großem Stil und
> extrem optimiert machen bis zu einem Punkt, an dem sie sogar so etwas
> wie "green IT" ...
>
>
> - Konkreter: ...Für die meisten
> Organisationen, mit denen ich zu tun habe, sind Ansätze wie Amazon oder
> Azure deswegen interessant, weil sie extrem gut in *beide* Richtungen
> skalieren ...
>
> Diese Themen sind aus meiner Sicht hinreichend relevant und spannend,
> aber absolut nichts, wofür die Lizenz von Software irgendwie maßgeblich
> wäre ...

Hallo Kristian,

Ich glaube es gehört schon alles ein bisschen zusammen. Ich kann hier 
nur meine eigene Geschichte erzählen, die zeigt, dass es eigentlich nur 
um den Willen geht: den eigenen politischen und den guten der Mitarbeiter.

Ich bin der Gatte einer ehemaligen Geschäftsführerin einer kleinen 
Organisation mit anfänglich 2, später 8 Arbeitsplätzen und half bei der 
IT mit. Anfänglich MS-DOS, der Wechsel zu Mac scheiterte weil ich als 
Mac-User realisierte, wie extrem die Abhängigkeit zu Apple war: 
einfachste Hardwarefehler liessen sich nicht reparieren (oder brauchten 
Monate) und das ehemalige geschlossene System kam nicht gut zurecht mit 
dem Internet und fremder Hardware und stürzte dauernd ab.

So kam Windows, und es war recht teuer. Ich kann mich erinnern, dass 
unser Profi-Support acht Stunden aufschrieb für die Einrichtung eines 
Zip-Laufwerks. Deshalb untersuchte ich Linux, und obwohl ich es sehr 
schwierig fand, konnte ich meine eigene IT umstellen und später auch des 
Geschäfts. Wir kauften entweder aktuelle Spargeräte oder verwendeten 
gebrauchte PCs oder solche aus dem Abfall. Durch das 
Terminal-Server-Thin-Client System LTSP war die Administration pro 
Arbeitsplatz recht günstig und im Prinzip wäre auch "Homeoffice" 
gegangen. Unsere Internetdienste hostete der erste solare Anbieter der 
Schweiz.

Kleine Probleme belasteten die Geduld, z.B. die Verwendung von 
USB-Sticks war mühsam. Ich veranstaltete mal einen Wettbewerb unter 
Profis und keiner konnte unsere Medien zuverlässig mounten. Dieses 
Problem hatte Windows nicht Dieses hatten wir für einige Programme 
virtuell dabei, wenn es mit WINE nicht ging. Dafür hatte wir nie 
irgendwelche Sicherheitsprobleme und brauchten kein Anti-Virus Zeug, 
während Kollegen immer wieder ihre Systeme oder Daten verloren. Wenn bei 
uns Festplatten ausfielen, war das zwar etwas traumatisch, aber mit dd 
oder so wurden schnell wieder neue von den Backups auf externen 
Festplatten eingerichtet.

Zu der Zeit brauchten die Linux-Systeme ähnliche Hardwareressourcen wie 
Windows, aber wir ersparten uns das Lizenzchaos und das regelmässige 
Eintippen von 20-stelligen Zahlen. Ein Pproblem war, dass es keinen 
zuverlässigen lokalen Support gab. Die Anbieter und ihre Angestellten 
wechselten dauernd, aber bei Mac und Windows war es mir nicht besser 
gegangen, ausserhalb von Userkreisen. Deswegen konnten einige Probleme 
und Wünsche der Mitarbeiter nicht immer oder nicht immer schnell gelöst 
werden. Sie waren zufrieden, wenn alles lief, und wenn nicht, war Linux 
oder Open Office, etc. schuld. Aber insgesamt konnten die Systeme mit 
Hilfe der wechselnden lokalen Profis doch zuverlässig unterhalten 
werden, die Wertschöpfung blieb vor Ort.

Ungefähr zwei Jahrzehnte ging das recht gut. Die Kosten waren, so weit 
ich das beurteilen konnte, ziemlich niedrig, und die Hardwarekosten sehr 
niedrig.

Mit dem Wechsel der Geschäftsleitung änderte alles. Komplett neue, 
Windows-taugliche Geräte wurden angeschafft, aber auch neue Bildschirme 
usw. Die einfachen Router und Switches wurden durch einen grossen Rack 
voll dauernd blinkenden und niemals ruhenden Geräten ersetzt. Backups 
via Dropbox. So weit ich das beurteilen kann, ist es jetzt viel teurer 
und braucht mehr Strom, von grauer Energie gar nicht zu sprechen, für 
etwa dieselbe Funktionen wie vorher.


Fazit: es ist immer ein politischer Entscheid, ob man die übliche 
Komfortlösungen wählt und dabei z.B. die Weltraumpläne von Jeff Bezos 
unterstützen will, oder sich mit lokalen Individuallösungen abmüht. Und 
beim Energieverbrauch kann ich mir nicht vorstellen, dass auch die 
effizientesten Green-IT Cloud-Lösungen sparsam sind, wenn man die ganze 
Infrastruktur des Internets einrechnet, besonders wenn es dann noch 
drahtlos gehen soll, wie immer mehr gefordert wird.

LG, Theo


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