PublicMoney: CoronaWarnApp strategisch nutzen (inkl. HOWTO)

Carsten Knoll carsten.knoll at posteo.de
So Jun 21 12:29:01 UTC 2020


Hallo,

On 20.06.20 17:47, Wolfgang Romey wrote:
> 
> die Position von Karsten finde ich grundfalsch. 

ein solider Dissens belebt die Diskussion.


> 
> Da die beteiligten Firmen Weltmeister im Steuervermeiden sind und riesige 
> Gewinne machen,

so ungerecht und beklagenswert man diese Umstände finden kann, sind sie
nach meiner Kenntnis völlig kompatibel mit der aktuellen Rechtslage.
Wenn nicht, wäre das ein Fall für die Justiz. Im aktuellen
gesellschaftliche-ökonomischen System ist es es zulässig, große Gewinne
zu generieren und die eigenen Steuerzahlungen zu minimieren.
Aktiengesellschaften haben den primären Zweck das eingesetzte Kapital
möglichst stark zu vermehren. Alles andere ist für sie sekundär. Wenn
man daran etwas ändern möchte (wofür es meiner Meinung nach gute Gründe
gibt), muss das auf tiefer liegender Ebene geschehen. Ich bin
grundsätzlich sehr offen (siehe Mailsignatur), aber das ist ein anderes
und viel dickeres Brett als die aktuelle Diskussion um Public Money
Public Code.


> hätte die Bundesregierung die Firmen verpflichten müssen, die 
> App unentgeltlich zu entwickeln und die notwendige Infrastruktur unentgeltlich 
> zu betreiben als Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

Das wäre aus meiner Sicht eine ungerechtfertigte staatliche Willkür, die
mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist.


> Sie hätte weiterhin 
> fordern müssen, daß die App ohne Google-Dienste auskommt und die API offen 
> gelegt wird.

Soweit ich das verstanden habe, wäre das technisch schwieriger?


> Eine App die nicht für F-Droid geeignet ist, ist keine Freie 
> Software.

Ich glaube, das ist inhaltlich so nicht richtig. Die Software selbst ist
frei (d.h. sie ist unter einer mit den vier Freiheiten kompatiblen
Lizenz veröffentlicht), auch wenn sie über Schnittstellen auf
proprietäre Dienste zugreift.

Dass die Verwendung von proprietären Google-Play-Diensten problematisch
sein kann, und das "Freie Software" nicht automatisch "gute Software"
ist, bleibt davon unberührt.

> Zudem hätte gefordert werden müssen, daß die App auf einem von Microsoft 
> unabhängigen Repository liegt.

Ich kann den Punkt verstehen, aber auch das wäre aus meiner Sicht ein
Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Außerdem stellt sich die
praktische Frage nach Alternativen. Für github spricht immerhin die
riesige Communitiy, die man damit niedrigschwellig erreicht. Das alte
Problem des Netzwerkeffektes.


> 
> Wenn ich gezwungen werde, eine Maske zu tragen und meine Versammlungsfreiheit 
> aufgehoben ist, sind das doch wohl keine unbilligen Forderungen.

Sehe ich anders, aber lasse ich im Interesse der Themennähe inhaltlich
unkommentiert.

> 
> Das wäre natürlich mit der Gefahr verbunden, sich bei den Beteiligten 
> unbeliebt zu machen.


"Beliebt" oder "unbeliebt" sind aus meiner Sicht nicht die relevanten
Kategorien, sondern eher, was ist aktuell politisch "durchsetzbar" und
was nicht.

Meine These ist eben, dass nicht zuletzt durch staatlich finanzierte
Entwicklung der CoronaWarnApp als Freie Software die Frage geradezu auf
der Hand liegt:

"Warum läuft das eigentlich nicht immer so?"

Mit anderen Worten: Warum ist es eigentlich nicht die Regel, dass, wenn
die Öffentlichkeit für Code bezahlt, über diesen auch verfügen kann?


> 
> Zudem hätte es der FSFE gut angestanden, wie Digitalcourage oder das FIfF eine 
> kritische Stellungnahme abzugeben oder sich wenigstens einer anzuschließen.  

Ich sehe die Rolle der FSFE primär darin, sich für das Prinzip Freie
Software einzusetzen. Eine Digitalisierungskultur in der Quelloffenheit,
Freie Lizenzen und offene Standards der Normalfall sind, besonders in
den Bereichen öffentliche Verwaltung und Bildung, hätte enorme positive
Auswirkungen auch auf die Wahrung digitaler Freiheitsrechte. Bei der
Risiko-Nutzen-Abwägung bezüglich der App kann man unterschiedlicher
Auffassung sein. Mich persönlich überzeugen die Argumente und vor allem
die zitierten Quellen von digitialcourage [1] nicht besonders. Die
Forderung vom FiFF [2], nach einem Begleitgesetz (Verbot von
Benachteiligung bei Nichtnutzung der App) finde ich sinnvoll. Aber das
widerspricht meinen Vorschlägen keineswegs.

[1] https://digitalcourage.de/blog/2020/corona-warn-app
[2] https://www.fiff.de/presse/dsfa-corona-digiges


Ich stimme Wolfgang zu, dass der FSFE eine Stellungnahme zu dem Thema
gut anstünde. Aber ich werbe dafür, in dieser nicht auf das Datenschutz-
und Sicherheitsthema zu fokussieren, sondern die Verbindung zu Public
Money Public Code herauszustellen.


So ähnlich wie der Netzpolitik-Kommentar [3]:

"""
Der Beweis, dass die Corona-Warn-App einen relevanten Beitrag zur
Bekämpfung der Pandemie leisten kann, steht noch aus. Klar ist aber
schon: Die Bundesregierung hat in der Umsetzung vieles richtig gemacht.
Bitte jetzt nicht vermasseln!

...
"""

[3] https://netzpolitik.org/2020/vieles-doch-noch-richtig-gemacht/




Beste Grüße,
Carsten


-- 

https://plq.de (Gründungsinitiative der Partei für Lebensqualität)
https://plq.de/programm.html (Grundsatzprogramm Juli 2019)
https://dresden.bits-und-baeume.org/
http://tu-dresden.de/pythonkurs (Pythonkurs für Ingenieur*innen)
http://cknoll.github.io (Blog)
http://tuuwi.de (TU Umweltinitiative)
https://fsfw-dresden.de (HG für Freie Software und Freies Wissen)
https://sober-arguments.net/ (Web-App für konstruktivere Diskussionen)


Was bedeutet eigentlich der Anhang "signature.asc"?
-> http://cknoll.github.io/emails-signieren.html

-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 488 bytes
Beschreibung: OpenPGP digital signature
URL         : <http://lists.fsfe.org/pipermail/fsfe-de/attachments/20200621/aaa8c3d2/attachment.sig>


Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de