"digitale Mündigkeit"

Kristian Rink mail at z428.eu
Mo Okt 28 10:02:50 UTC 2019


Am Montag, den 28.10.2019, 10:44 +0100 schrieb Henning Thielemann:
>
> > Wie sieht das in anderen Fachgebieten aus?
> > Medizin?
> 
> Gunter Dück erzählt in einem seiner Vorträge, wie er zum Arzt
> gegangen ist, ihm seine im Internet zusammengesuchte Selbstdiagnose
> vorgetragen hat und der Arzt ihn daraufhin fragte, warum er dann noch
> zum Arzt gehe. Na wegen des Rezeptes!

Ist die Erwartungshaltung an Normalbürger, diesen Weg so zu gehen? Ist
Selbstdiagnose durch "Zusammensuchen im Internet" gleichbedeutend mit
Diagnose durch jemanden, der Fachwissen und Berufserfahrung hat? Oder
ist das eher Hybris / Anmaßung? Ist Normalbürger "medizinisch
unmündig", wenn er das tut, was er in allen anderen Bereichen tut -
nämlich weitestgehend dem Spezialisten zu vertrauen und den zu
konsultieren, wenn er spezialisierten Rat benötigt? ;)



> 
> > Recht?
> 
> Letzten Dienstag war ich bei drei Bußgeldverhandlungen als 
> Laienverteidiger nach §138(2) StPO. Wir haben die Verfahren zur 
> Einstellung gebracht. Unter politischen Aktivisten im Hambacher
> Forst, bei Verkehrswendeaktionen etc. ist Laienverteidigung ein
> großes Thema.

Gleicher Punkt wie oben. Ist Normalbürger "unmündig", wenn er nicht
imstande ist, sich im gegenwärtigen Rechtssystem selbst vor Gericht zu
verteidigen und stattdessen einen Anwalt konsultiert? Lässt sich diese
"Mündigkeit" nur durch etwas Willen zum Denken überwinden, oder braucht
es da schlicht mehr (etwa jahrelanges Studium, etwas Erfahrung und
ggfs. auch staatliche Zulassungen)?


Ich verstehe die Intention der "digitalen Mündigkeit" durchaus, aber
ich sehe hier eine ganz massive Kluft zu der Erwartungshaltung und
Frage, wie "Spezialisierung" in nahezu jedem Fachgebiet funktioniert.
Und ich weiß auch nicht, ob es (etwa in Medizin oder Recht) analog zur
IT Menschen gibt, die klar sagen: "Misstraut den Spezialisten am Markt,
lernt selbst!".


Viele Grüße,
Kristian



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