Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

Kristian Rink mail at zimmer428.net
Do Okt 10 19:42:36 UTC 2019


Moin,

danke für die Gedanken. Derzeit sehe ich indes nicht, wo Deine
Weltsicht optimistischer ist als meine:


Am Donnerstag, den 10.10.2019, 18:44 +0200 schrieb Ilu:
> gezwungen werden, obwohl sie das nicht wollen. Letztens ein ganzes 
> Barcamp voller Sozialarbeiter, die an Whatsapp verzweifeln - keiner
> will  das nutzen (es ist auch strafbar!), aber anders sind die
> Klienten ncht  zu erreichen. Das Problem ist allen bewußt, aber es
> gibt kein Geld und kein Personal für Lösungen.

Richtig. An Leuten, die grundsätzlich Freie Software nutzen *wöllten*,
herrscht auch in meinem Umfeld kein Mangel. Aber am Ende ist es hier
wie bei Deinem Umfeld: Es gelingt nicht. Jeder hat irgendein Stück
proprietärer Software, auf das zu verzichten unmöglich ist. Im
schlimmsten Fall zieht das Kreise: Funktioniert etwa ein Tool wie
WhatsApp auf einem Android-Gerät ohne Google-Apps / Play Services? 


> 
> Gerade in dem Bereich kann die Lösung nur vom Staat kommen. Es
> fehlen freie, kostenlose Serverdienste. In SH bewegt sich etwas,
> solange wir die derzeitige Regierung behalten, aber es geht nicht
> schnell genug. 
>

Freie *und* kostenlose Serverdienste sind je nach Perspektive eine
Erfindung der werbe- und trackinggetriebenen Industrie oder eine
Illusion und leider etwas, dem die SoftwareLibre-Community aus meiner
Sicht durch unsauberen Umgang mit den Begrifflichkeiten ("gratis" vs.
"libre", wir kennen das ja) eher Vorschub leistet. Siehe f-droid: Kern-
Argument sollte sein, daß die Apps "Frei" (Libre) sind, aber im
Endeffekt erscheint in jedem zweiten Bericht f-droid als ein App-Store
voller Software, die "frei" (gratis) und zudem tracking-frei ist. 

Das, was Du meinst, sind Server bzw. ist Infrastruktur die
bereitzustellen oder zumindest zu unterstützen der Staat als seine
Aufgabe betrachten sollte. Wäre ich sofort dafür - aber Du hast ja zu
Recht festgestellt: Zu langsam, zu wenig.


> 
> Gerade das Handy bietet Möglichkeiten. Free your Android war
> richtig, aber für den Einzelnen ist das zu kompliziert - Reparatur-
> Cafes zB müßten sowas als Service mit anbieten. Oder Secondhand-
> Shops.
> 

Und dann? Dann hast Du Android-Devices. Ob Android "Libre" ist, darüber
kann man, glaube ich, trefflich streiten, ebenso über die Frage, ob ein
Android ohne Google-Dienste auch nur annähernd die Leistungsfähigkeit
wie mit ebendiesen bieten kann. Am Ende des Tages bleibt Hardware, auf
die nur mit viel Aufwand (und explizit gegen Sicherheitsmechanismen des
Herstellers) teils recht wackelige, teils massiv mit unfreien Blobs
beladene Alternativ-Software aufgespielt werden kann, immer unter dem
Risiko, das Gerät eventuell so zu beschädigen, daß es teilweise oder
vollständig irreparabel unbrauchbar wird. Und selbst wenn Du diese
Hürde erfolgreich genommen hast, hast Du unter dem Android noch ein
Baseband-System, das komplett proprietäre Blackbox und gänzlich
außerhalb Deines Einflussbereichs ist. Mobilgeräte, die sich
ausschließlich mit Software Libre betreiben lassen, sehe ich derzeit
nicht, zumindest nicht in größerer Verbreitung. Am Ende kann ich an der
Oberfläche etwas mit "Freier Software" herumspielen, was aber nicht
wirkungsvoller oder nachhaltiger ist als ein cooler Linux-Desktop, auf
dem letztlich Google- oder Microsoft-Webanwendungen in Chrome laufen.
:/

Viele Grüße,
Kristian



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