Re: Förderation und Offene Infrastruktur (Re: FSFE-Matrix-Server)

Ilu ilu at fsfe.org
Do Okt 10 16:44:15 UTC 2019


Hallo Liste,

also Kristians pessimistisches Fazit teile ich überhaupt nicht. Linux 
auf dem Desktop hat in meiner Familie 50% Marktanteil. Ich treffe 
überall Leute, die freie Software nutzen wollen, aber nicht können - zB 
Psychologen und Ärzte, die über die Kassen-Telematik in Windows 
gezwungen werden, obwohl sie das nicht wollen. Letztens ein ganzes 
Barcamp voller Sozialarbeiter, die an Whatsapp verzweifeln - keiner will 
das nutzen (es ist auch strafbar!), aber anders sind die Klienten ncht 
zu erreichen. Das Problem ist allen bewußt, aber es gibt kein Geld und 
kein Personal für Lösungen.

Gerade in dem Bereich kann die Lösung nur vom Staat kommen. Es fehlen 
freie, kostenlose Serverdienste. In SH bewegt sich etwas, solange wir 
die derzeitige Regierung behalten, aber es geht nicht schnell genug. Auf 
dem Barcamp wurde eine Stiftung diskutiert. An sowas bastel ich schon 
lange, aber es fehlt  das hinreichend idealistische Personal und das 
Geld (bei 0% Zinsen haben Stiftungen keinen Pfennig, diese Zinspolitik 
ist ein Desaster für den Wohltätigkeitsmarkt).

Gerade das Handy bietet Möglichkeiten. Free your Android war richtig, 
aber für den Einzelnen ist das zu kompliziert - Reparatur-Cafes zB 
müßten sowas als Service mit anbieten. Oder Secondhand-Shops.

Sorgen macht mir die Jugend. Wenn Linux als Spiele-Plattform ein klein 
bisschen besser wäre ... aber auch da tut sich was.

Gruß
Ilu

Am 10.10.19 um 08:04 schrieb Kristian Rink:
> Hallo Roland, halle;
> 
> vorab: Ich finde die Diskussion gut (danke dafür), sehe aber auch, daß
> das zeitlich im Moment entgleitet, deswegen nur noch kurz ein Punkt zu
> einem Thema, das für mich zentral ist:
> 
> 
> Am Mittwoch, den 09.10.2019, 23:11 +0200 schrieb Roland Hummel:
> 
>> Auf Grundlage meiner Aussagen würde ich folgendes Fazit ziehen: Deine
>> Lösung hat sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
>> abgefunden.
>> Das verstehe ich und vielleicht bin ich "in 5 Jahren" auch soweit.
>> Bis dahin behalte ich mir vor, noch zu "unvernünftig" zu sein, um
>> mich diesen Rahmenbedingungen zu ergeben.
> 
> 
> Bezüglich Abfinden mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, lass es
> mich so formulieren:
> 
> 
> 
> Einerseits: Nein. Ich versuche seit Mitte der 1990er, Menschen von
> Freier Software, von Linux und dergleichen zu überzeugen, bin immer
> noch hier, versuche das immer noch. Wäre das anders, wäre mir diese
> Diskussion wohl mittlerweile schnuppe. ;)
> 
> 
> 
> Andererseits aber: Wenn ich (sicher sehr subjektiv) die letzten drei,
> vier Jahre überblicke, dann ist mein Fazit nicht sehr erfreulich:
> 
> - Im privaten Bereich sehe ich bei Menschen, wie Laptops, PCs oder
> "kompatible" Geräte (die man einigermaßen leicht mit Freier Software
> versehen konnte) zunehmend ersetzt werden durch hochproprietäre
> Mobilgeräte, die sich derzeit in fast keinem Fall "vollständig Frei"
> nutzen lassen.
> 
> - Desktop Linux hat es nie in den Mainstream geschafft. Und die Leute,
> die heute "Desktop Linux" nutzen, nutzen dort drin ganz
> selbstverständlich einen Browser wie Chrome, in dem sie Google-Apps
> oder Office 365 verwenden.
> 
> - Auch nach Snowden bleiben hier alternative, dezentrale Messenger eine
> Randerscheinung. "Fun fact": Mein letzter aktiver XMPP-Kontakt hat sich
> von dem Kanal verabschiedet, nachdem sein XMPP-Hoster nach der DSGVO
> den Server abgeschaltet hat. Die Leute nutzen nach wie vor WhatsApp,
> und in meiner Wahrnehmung im engeren Umfeld sind es in den letzten
> Jahren (durch Leute, die dann doch "jetzt auch" Smartphones von ihren
> Anbietern bekommen haben) in kleinen Schritten eher mehr als weniger
> geworden.
> 
> - In den Firmen im Umfeld ist derzeit mindestens jede zweite in einem
> Projekt, ihre eigene Infrastruktur herunterzufahren und in irgendeine
> Cloud zu migrieren. Wiederkehrende drei Gründe: Unbeherrschbare
> Komplexität durch rechtliche Anforderungen, konkret DSGVO; endlich
> Möglichkeit der Konzentration auf die eigenen Kernaufgaben (vorrangig
> Software-Entwicklung) unter Auslagerung von Infrastrukturdiensten mit
> klar definierbarer Schnittstelle; Reduzieren der Kosten für IT-Betrieb
> vor Ort.
> 
> 
> Wie gesagt: Vielleicht ist das sehr subjektiv, vielleicht Zufall und
> nicht verallgemeinerbar. Aus meiner speziellen Brille im Moment sehe
> ich indes wenig bis keinen Grund zu Zufriedenheit mit der Richtung, in
> die sich das "Werben" für Freie Software und Freie Infrastruktur
> entwickelt. Derzeit scheinen die Dinge in nahezu *allen* Bereichen in
> exakt die andere Richtung zu gehen - und an dem Punkt frage ich mich,
> ob wir vielleicht überdenken sollten, ob unsere Ideen, Ansätze,
> Lösungsvorschläge noch geeignet sind, unsere Ziele zu erreichen. Und
> vielleicht *braucht* es dafür eine Akzeptanz des Status Quo, eine
> Akzeptanz des Umstands, daß WhatsApp, Google, Apple, ..., like it or
> not, nun mal massiv die Art und Weise geprägt haben, wie eine sehr
> breite Masse Technologie wahrnimmt und erwartet - und dass vermutlich
> nur der Versuch, diese Tools schlechtzureden und auf lernfähige und
> -willige Nutzer zu hoffen, vielleicht nicht funktioniert...? ;)
> 
> Viele Grüße,
> Kristian
> 
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