Funding Freedom Initiative - Idee zur Finanzierung freier Softwareprojekte
Ilu
ilu at fsfe.org
Fr Aug 17 18:16:11 UTC 2018
Hallo Liste,
ich frage mich, warum der Verfasser meint, "Verkauf von Support" stehe
im "Konflikt mit dem Ziel die bestmögliche Freie Software zu
bekommen".Ich glaube, da unterschätzt jemand, welche Bedeutung
(kostenpflichtiger) Support im Unternehmensumfeld hat. Nur große
Unternehmen mit entsprechend besetzter IT-Abteilung können Support
selbst stemmen und auch die lagern es häufig aus.
Aus der schleswig-holsteinischen Landesregierung höre ich, daß es
generell schwierig sei, FLOSS-Anbieter mit ausreichenden
Support-Kapazitäten zu finden. Und auch von Limux (München) munkelt man,
daß es beim Support geknirscht hat (abgesehen von den bekannten
politschen Problemen).
Alle im Artikel angesprochenen Finanzierungsvarianten können nur Beiwerk
sein. Wer FLOSS im Unternehmensbereich etablieren will, muß sich ein
Projekt suchen, gegebenenfalls forken, die Verantwortung übernehmen und
den Support verkaufen. So wie es Luc Saffre mit Lino beschrieben hat.
Der Artikel beschreibt eine ziemlich komplizierte Konstruktion, bei der
(mir) unklar ist, wer die Verantwortung trägt. Den Unternehmer
interessiert nur "wen rufe ich an, wenns hakt", "wie schnell kommt der"
und "was kostet das".
Ich kenne mehrere Freiberufler im medizinisch-sozialen Bereich, die sich
mit Cortana ausgesprochen unwohl fühlen, aber keinen geeigneten
FLOSS-Anbieter finden, der die Leistung und Abrechnung im
Gesundheitswesen kompetent begleitet. Es ist schon schwierig, Hardware
mit Linux-Unterstützung zu finden ("die Zertifizierung ist uns zu
teuer"). Wenn die Branchensoftware nur unter MS-Win läuft, dann wird der
ganze Desktop bei MS bleiben. Nach der Branchensoftware kommt das
Buchhaltungssystem (Datev = MS-Win!).
Aus meiner Sicht geht der Artikel an den tatsächlichen Problemen im
Unternehmensbereich völlig vorbei. Das ganze Modell sieht aus wie eine
komplizierte Konstruktion zur Verschleierung der Verantwortung (=
Haftung!). Tatsächlich fehlt es an IT-Unternehmern, die bereit und in
der Lage sind, mit vollem unternehmerischen Risiko auf FLOSS zu setzen,
vor allem im Bereich von Branchensoftware. Und natürlich gibt es das
Henne/Ei-Problem. Auch das ist nur mit risikobereitem Unternehmertum zu
lösen. Auch FLOSS-geneigte Länderinitiativen wie in SH werden scheitern,
wenn sich keine Anbieter finden.
Das Hauptproblem, das FLOSS und Linux auf dem Desktop insgesamt obsolet
machen könnte, sehe ich im Bereich staatlicher Schnittstellen, und dort
ist dringend Lobby-Arbeit nötig. Schön zu sehen bei der Steuerverwaltung
(ELSTER-Schnittstelle), die FLOSS kategorisch ausschließt. Wenn
berufliche Abrechnungs- und Kommunikationssysteme (Personalausweis,
Gesundheitskarte und anderes) - rechtlich oder tatsächlich - nur für
MS-Win unterstützt werden, wird in Zukunft niemand mehr freie
Betriebssysteme auf dem Desktop nutzen können.
Kritik war gefragt, hier habt Ihr sie :-)
Ilu
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