Fragen zu Schuld und Scheitern

Florian Snow floriansnow at fsfe.org
Mo Okt 30 18:27:03 UTC 2017


Hallo Michael,

vielen Dank für diese Mail.


"Dr. Michael Stehmann" <anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de> writes:
> Ich habe sie unbearbeitet gelassen, obwohl ich dort, da ich Florian
> kenne, einiges etwas "direkter" formuliert habe, als ich dies auf
> dieser Liste getan habe würde.

Ich freue mich ehrlich gesagt über diese direktere Formulierung.  Mit
klaren Aussagen kann man sich gut auseinandersetzen und Ergebnisse
erarbeiten.


> Die Frageform war meinem Bemühen geschuldet, einen konfrontativen
> Eindruck zu meiden.

Ich denke Fragen zu stellen ist oft gut um andere Menschen zum
Nachdenken anzuregen.  Je nachdem wie sie formuliert sind, kann aber
auch der Eindruck entstehen, dass es rhetorische Fragen sind und dann
wirken sie doch wieder konfrontativ.  Ich habe den Eindruck das ist
manchen von uns hier so gegangen, weswegen auch die Nachfrage kam, ob
das persönlich motiviert ist.  Manchmal wirkt ein direktes "ich finde es
schlecht wie hier mit dem Thema X umgegangen wird, weil" doch weniger
konfrontativ als Fragen.  Andererseits bin ich auch Franke und wir sind
etwas direkter; vielleicht ist das also meinem persönlichen Geschmack
geschuldet.


> Wenn ein neuer Chef etwas anders machen will, als sein Vorgänger,
> würde ich die Projekte des Vorgängers nicht zwingend als "gescheitert"
> bezeichnen. Beispielsweise hat auch bei der Rückmigration im
> Außenministerium niemand von einem "Scheitern" Freier Software
> gesprochen.

Ich stimme dir zu, dass das nicht zwingend Scheitern ist, weil das
Projekt an sich vielleicht erfolgreich war.  Wenn es dann aber nicht
fortgeführt wird, sehe ich trotzdem ein Scheitern von uns als Bewegung.
Aber ich verstehe was du meinst und man könnte auch neutraler vom Ende
von Limux sprechen.


> Für mich sind "richtige Fragen" beispielsweise solche, die ergebnisoffen
> sind.

Ok, da hast du Recht und deine Beispiele finde ich sehr gut.


> Auch wenn Matthias nur Fragen in den Raum gestellt hat, verleitet dieser
> "wuchtige" Begriff gerade die Gegner Freier Software dazu, die Fragen in
> ihrem Sinne zu beantworten: Die Freie-Software-Gemeinschaft ist schuld
> am Scheitern von Limux!

Auch das verstehe ich.  Man muss natürlich vorsichtig mit Begriffen
umgehen, gerade im Umfeld Freier Software, aber ich denke es war hier
der Begriff Schuld so gemeint wie er landläufig verwendet wird -- als
Synonym zu "Ursache".  Ein auf die Straße gefallener Baum trägt keine
Schuld am Autounfall; er ist nur die Ursache, aber in der Alltagssprache
wird das so verwendet oder vielleicht ist auch der Sturm schuld.


> Statt dass wir weiter offensiv die Auseinandersetzung suchen, denn eine
> endgültige, rechtlich verbindliche Entscheidung scheint, soweit man das
> im Rheinland mitkriegt, noch nicht gefallen zu sein, und eine solche
> Entscheidung wäre wohl auch revidierbar, verleitet uns der Präsident der
> FSFE zur Introspektive und zum Griff nach "Sack und Asche".

Ich verstehe, dass dieser Eindruck entsteht.  Es ist nicht so, dass wir
hier die Auseinandersetzung meiden würden, aber es ist schwierig etwas
zu erreichen, weil die Entscheidung nicht auf sachlichen Gründen
basiert.  Das kann man immer wieder klarstellen, aber so lange sich der
OB hinstellen kann und allgemeine Probleme mit der IT in München als
Probleme Freier Software darstellt, erreichen wir nicht viel.  Es ist ja
nicht so, dass der OB in Trump-Manier allen möglichen Unsinn behauptet,
er verdreht die Wahrheit ja nur in manchen Fällen und drückt seine
Gefühlslage als technische Fakten aus.  Für die meisten Menschen ist er
aber glaubhaft und wir als Gemeinschaft um Freie Software, sind Spinner,
denen ihr Spielzeug Limux weggenommen wird.  Aber vielleicht sehe ich
das inzwischen zu negativ.  Wenn du noch Ideen hast, dann bitte schreib
uns das, denn ich wäre froh hier noch was stemmen zu können.  Oftmals
hast du ja noch einen anderen Blick auf die Dinge und es kann gut sein,
dass uns das auch hier weiterhilft.


> Reflektion und Selbstkritik sind gut und wichtig, aber am rechten Ort,
> zur rechten Zeit und in der rechten Weise.

Da stimme ich dir völlig zu.

Happy hacking!
Florian



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