Re: Wann ist es legitim, die vier Freiheiten einzuschränken?

Dr. Michael Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Di Mär 28 20:33:46 UTC 2017


Am 28.03.2017 um 21:01 schrieb Wolfgang Romey:
> 
> Ich habe nicht danach gefragt, wann es ethisch ist, sondern danach, wann
> es legitim ist. Oder ist da kein Unterschied? Ich bitte um Erläuterung.

Du schriebst:

"Dabei ist für mich die Frage entstanden, wann es legitim ist die vier
Freiheiten einzuschränken. Ob das legal ist, regelt ja die jeweilige Lizenz.

Legal ist es, Autos zu fahren, die die Umwelt extrem verschmutzen,
legitim ist das für mich nicht. Genauso legal ist es, einen
Smartphone-Vertrag abzuschließen, bei dem man jedes Jahr ein neues Gerät
bekommt und so aktiv zur Zerstörung der Umwelt beiträgt, legitim ist
auch das für mich nicht.

Legal ist es auch Software zu verkaufen, bei denen die vier Freiheiten
nicht gewährt werden. Ist das auch legitim?"

Du unterscheidest also (wie wohl auch die herrschende Meinung) Legalität
und Legitimität.

Wikipedia definiert:

"Legitimität (lat. legitimus, gesetzmäßig) bezeichnet in Soziologie,
Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft die Anerkennungswürdigkeit
beziehungsweise Rechtmäßigkeit von Personen, Institutionen, Vorschriften
etc. Ein Legitimität besitzender Sachverhalt ist legitim."

https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Legitimit%C3%A4t&oldid=159482722

Danach ist Legitimität also Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise
Rechtmäßigkeit. Wenn sich die Anerkennungswürdigkeit beziehungsweise
Rechtmäßigkeit nicht aus der bloßen Legalität ergibt, müssen andere
Maßstäbe hierfür herangezogen werden. Dies können IMO nur ethische sein.

Wobei die Verhältnisse von Gesetz und Recht und von Recht und Ethik -
besonders unter Berücksichtigung der deutschen Geschichte -
hochinteressant und facettenreich sind. Hierüber sind schon ganze
Bibliotheken verfasst worden, sodass ich mich außerstande sehe, sie hier
auf der Mailingliste abzuhandeln.

Man kann sicherlich fragen: Gibt es berechtigte Interessen des Urhebers,
hier des Programmierers oder Entwicklers, die eine proprietäre Lizenz
anerkennenswert machen könnten?

Es ist evident, dass das Urheberrecht derartige Interessen schützt
(ebenso wie es auch ein Copyleft schützt).

Aber überwiegen diese Interessen wirklich auch das Freiheitinteresse des
Nutzers?

Wenn man hier die Antwort nicht nur im Gesetz sucht, sollte man
beispielsweise auch bedenken, dass Paulus nach der in der
Auslegungsgeschichte vorherrschenden Meinung im Brief an Philemon
Sklaverei wohl als legitim ansah und welche Auswirkungen dies in der
Geschichte hatte.

Was Geschäftsgeheimnisse angeht, gebe ich zu bedenken, dass das
Patentrecht im Grundsatz ein zeitlich befristetes Monopol nur gegen eine
Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses gewährt. Das Patentrecht will
gerade die Offenlegung und nachfolgende Verbreitung geheimer Verfahren
im Interessen des gemeinen Wohls fördern.

In Code gegossene private Geheimnisse kann ich mir nur schwer
vorstellen. Welche können dies sein?

Gruß
Michael







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