Elster

Henning Thielemann lemming at henning-thielemann.de
Do Dez 7 15:02:16 UTC 2017


Mahlzeit!

Meine eigentliche kurze Frage vorneweg: Ist jemand von euch gerade 
politisch an dem Thema Elster, sprich digitale Steuererklärung, dran, oder 
kennt jemanden der einen kennt?

Als Freiberufler wird man ja schon seit 2005 gezwungen, seine 
Umsatzsteuervoranmeldungen elektronisch abzugeben. Bis es dann auch mal 
Lösungen gab, die man überhaupt einsetzen kann, und die vielleicht auch 
noch ein bisschen was in Richtung Sicherheit unternehmen, dauerte es dann 
... eigentlich bis heute. Das Netz ist voll von großartigen Tipps, wie man 
unfreie Windows-Steuerprogramme irgendwie unter Linux mit Wine oder 
VirtualBox zum Laufen bekommt. Wahrscheinlich ist es typisch deutsch, 
gegen so eine Frechheit nicht zu protestieren, sondern sich irgendwie 
durchzuwursteln, um ja beim gestrengen Finanzamt nicht in Ungnade zu 
fallen.

Ganz nebenbei halte ich es für ein Unding, dass man Leute zur Benutzung 
von Elster zwingt. Entweder ist das System so elegant, dass es jeder gerne 
benutzt, oder man lässt es bleiben. Ich stelle mir vor, ich würde meinen 
Kunden Zwang androhen, damit sie von mir entwickelte Programme benutzen. 
Einreichungen auf Papier müssen ja weiterhin in "Härtefällen" akzeptiert 
werden und ich frage mich, ob das Finanzministerium das Geld statt in 
kaputte Endbenutzerprogramme nicht lieber in eine gute automatische 
Formularauswertung mit Texterkennung stecken sollte.

Soweit ich es überblicke, ist der aktuelle Stand dieser: Es gibt eine 
Reihe unfreier kommerzieller Programme, einige werden sogar als 
Linux-tauglich beworben, was einfach heißt, dass es irgendjemand mal 
geschafft hat, das Programm auf Wine zum Laufen zu bringen. Dann gab es 
mal eine Java-Lösung, die das unfreie Oracle-Java voraussetzte. Nun gibt 
es ElsterOnline, eine reine Browserlösung und von daher am wenigsten 
invasiv und von mir eigentlich bevorzugt.

Für ElsterOnline gibt es wieder deutliche Einschränkungen. [1] Die 
einwandfreie Funktionsweise wird nur für zwei Firefox-Versionen auf genau 
einer Linux-Distribution garantiert, nämlich aktuell Ubuntu 17.10, also 
nicht mal eine LTS-Version. Nirgendwo garantiert Elster, dass es sich an 
irgendeinen HTML-Standard hält, und tatsächlich nennt der W3C-Validator 
zahlreiche HTML-Fehler. Und ElsterOnline fordert die Aktivierung von 
JavaScript, erklärt aber nicht, wofür. Das Finanzamt kann es auch nicht 
erklären. Ich weiß nur, dass JavaScript meine eingegebenen Zahlen 
ungesichert sonstwohin übermitteln kann, und damit wird der ganze 
ElsterAuthenticator- und SSL-Zirkus drumherum Sicherheitsvoodoo. Elster 
erklärt auch nicht, ob es sich an irgendeinen JavaScript-Standard halten 
will. Wahrscheinlich nicht.

Ich gebe also seit fünf Jahren meine Erklärungen durchgehend auf Papier 
ab. Damit habe ich nicht die Schwierigkeit, hundert evtl. kostenpflichtige 
Windows-Programme auf Verträglichkeit mit meinem Linux testen zu müssen, 
habe keine Installationsschwierigkeiten, keinen Ärger mit der 
Elster-Hotline oder mit vergeudeter Zeit im Elster-Forum. Ich muss auch 
nicht ein ständig aktualisiertes Ubuntu bereithalten, nur damit 
fehlerhaftes HTML stets, wie von den Elster-Entwicklern erwartet, 
verarbeitet wird. Mein Finanzamt hat das bisher zähneknirschend 
akzeptiert. Dann ist es dazu übergegangen, auf Papier abgegebene 
Erklärungen als "nicht abgegeben" zu werten, wobei die Steuererklärung 
"geschätzt" wurde und zwar anhand meiner auf Papier abgegebenen Zahlen.

Nun gibt es die erste Zwangsgeldandrohung von 200€, weil ich die bereits 
abgegebene Umsatzsteueranmeldung nicht noch elektronisch nachreiche. Die 
Finanzamtmitarbeiterin, die das entschieden hat, hat meine gleichzeitig 
abgegebene Einkommenssteuererklärung nach meiner Darlegung der Beweggründe 
akzeptiert. Eine weitere Mitarbeiterin hat für die 
Umsatzsteuervoranmeldung versprochen, meine Einwände inhaltlich von den 
IT-Profis der Behörde prüfen zu lassen und mir derweil die Abgabe auf 
Papier ausnahmsweise erlaubt. Die "Prüfung" dauert seit Monaten an, 
derweil dreht sich das Zwangsgeldverfahren munter weiter. Die oder der 
mutmaßliche Vorgesetzte erklären diese widersprüchlichen Entscheidungen in 
der Summe als zulässige Ausübung des Ermessensspielraumes, soll wohl 
heißen: Anwendung von Willkür.

Tja, was macht man da?


[1] https://www.elster.de/eportal/systemanforderungen


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