Re: Aus dem Scheitern lernen - war: "eine neue Lizenz für Open-Source Saatgut"

willi uebelherr willi.uebelherr at gmx.de
Fr Apr 28 16:53:05 UTC 2017


Lieber Michael,

es ist falsch, hier nur das "Scheitern" anzusprechen und in den 
vordergrund zu schieben. Mit sicherheit, und da stimme ich dir zu, 
muessen die menschen erst mal lernen, in groesseren dimensionen zu 
denken. Aber noch schlimmer ist die neigung, die vielfalt mit der 
monotonie zu ersetzen.

Du kannst doch nicht ehrlicherweise die faschisierung, also die 
ausgrenzung differenter standpunkte und sichtweisen, als das ziel und 
als notwendigkeit deklarieren. Wir sind doch notwendig "der Einheit in 
der Vielfalt" verpflichtet, weil wir sie als die kraft-befreiende 
methode erkennen. Wenn wir danach ausschau halten und das untersuchen, 
was wir tun.

Die standard-parteien und -gruppen koennen mit der vielfalt nichts 
anfangen. Und all die gekauften "journalisten" ebensowenig, die dann das 
generieren, woran du dich scheinbar orientierst. Etwas mehr "eigene 
Urteilsfaehigkeit" im sinne von I.Kant wuerde dir nicht schaden. Vor 
allem, weil ich ja lese, dass du einen aufgeweckten geist besitzst.

Dass du dann tatsaechlich auf die primitive ebene der gleichschaltung 
und monotonie, eher ein militaerisches konstrukt, zurueckfaellst, obwohl 
deine erfahrung aus der welt der Open Source dir etwas anderes 
suggerieren sollte, hat wohl mit erhaltungsmechanismen zu tun. Das etwas 
andere wirkt dann bedrohlich.

Ich formuliere folgende entwicklungsprinzipien:
massiv dezentral, massiv parallel, massiv redundant.

Das bedeutet, wenn wir diesen gesetzen der natur folgen, dass wir keine 
zentralen apparate benoetigen, sondern nur netzwerk strukturen fuer den 
austausch.

Dein ansinnen ist dazu voellig kontraer. Nur, ich will dir sagen, um 
eine groessere dimension zu eroeffnen: Haette die natur deine prinzipien 
angewandt, dann wuerden wir heute hier nicht existieren. Ja, waere 
vielleicht auch besser.

Aber wir sollten uns im klaren sein, auf welchen grundlagen wir 
eigentlich existieren. Dann sehen wir auch, dass die mensch-gemachten 
strukturen nur mit schwachsinn tituliert werden koennen.

Ein einfaches beispiel: Hast du jemals einen vogel gesehen, der an der 
grenze herunter kommt, um seinen passport zu zeigen? Du siehst, auf 
welch niedrigem niveau die menschen heute existieren und wie sie denken.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay


-------- Forwarded Message --------
Subject: Aus dem Scheitern lernen - war: "eine neue Lizenz für 
Open-Source Saatgut"
Date: Fri, 28 Apr 2017 10:28:57 +0200
From: Dr. Michael Stehmann <anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de>
To: fsfe-de at lists.fsfe.org

Hallo,

einer der Gründe für das hoffentlich vorläufige Scheitern der Piraten in
Deutschland sehe ich darin, dass sich der im Aufwind befunden habenden
Partei viele Menschen mit einer eigenen "Agenda" anschlossen haben und
durch hitzige - teilweise recht unfair - geführte Diskussionen versucht
haben, diese in der Partei durchzusetzen. Hierdurch geriet das
ursprüngliche Anliegen der Piraten unter die öffentliche
Wahrnehmungsschwelle und sie gaben in der Öffentlichkeit das Bild eines
zerstrittenen Haufens ab, der sich über Dinge streitet, die von nahezu
keiner Relevanz mehr für ihre ursprünglichen Wähler waren.

Das gleichwohl viele Piraten gute Arbeit, beispielsweise in den
Parlamenten geleistet haben, welche dann kaum ins öffentliche
Bewusstsein gelangte, hat für mich einen tragischen Aspekt.

Dies sollten wir in der FSFE tunlichst vermeiden.

Wie die FSFE schon in der Präambel ihrer Satzung zutreffend erkannt hat,
prägt das digitale Zeitalter die soziale, kulturelle und
wissenschaftliche Entwicklung der Menschheit, also aller Menschen.

Wenn wir also die sich daraus ergebenden Fragen beantworten und die sich
hieraus ergebenden Probleme in einem demokratischen System nachhaltig
und wirksam lösen wollen, müssen wir Positionen finden und vertreten,
die für alle Bürger, also Anarchisten und Kommunisten, Liberale und
Konservative, Sozialisten und Sozialdemokraten, ökologisch, pazifistisch
und radikaldemokratisch Denkende, FeministInnen und Maskulinisten,
Elitäre und Egalitäre etc., gleichermaßen verständlich und für eine
breite Mehrheit akzeptabel sind.

Dies erfordert eben Realismus und pragmatisches Denken, aber auch
Respekt und Toleranz, und damit letztlich auch - für die Community und
Organisation als solche, nicht unbedingt für den Einzelnen - ein
Abschied vom Anliegen, "ewigen Wahrheiten" zum Siege verhelfen zu wollen.

Ich kenne zugegebenermaßen nur die mitteleuropäische Situation -
anderswo mag ja ein "revolutionäres Subjekt" vorhanden sein.

Gruß
Michael







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