Ist Freie Software auf Rechnern mit unfreiem Betriebssystem hilfreich, akzeptabel, nützlich, ... oder nicht.

Florian Snow floriansnow at fsfe.org
Mi Apr 12 03:55:49 UTC 2017


Hallo Wolfgang,


Wolfgang Romey <woro at wolfgangromey.de> writes:
> Wie steht Ihr dazu, Freie Software unter einem unfreien Betriebssystem
> zu betreiben?

Da gibt es verschiedene Aspekte.  Das eine ist die Frage, ob ich frei
bin in dem Sinn, dass ich meinen Computer kontrollieren kann oder das
zumindest mit der Hilfe anderer tun kann.  Diese Frage kann erst mit ja
beantwortet werden, wenn wirklich alle Software frei ist, inklusive
Firmware.

Allerdings müssen wir hier alle Kompromisse eingehen, wenn wir uns
Computern nicht komplett verschließen wollen.  Die meisten Computer
verwenden unfreien Boot-Code (BIOS/UEFI) und selbst Computer, die mit
Libreboot laufen wie der von Richard Stallman, ist darauf noch eine
ganze Menge unfreier Firmware, die man aktuell nicht ersetzen kann.
Beispielsweise hat die Festplatte unfreie Firmware, die auch
aktualisiert werden kann (es ist also nicht reine Hardware) und die auch
direkten Speicherzugriff (DMA) hat.  Damit bin ich wieder per Software
manipulierbar.  Das soll jetzt nicht heißen, dass ohnehin alles verloren
ist oder wir diese Kompromisse gutheißen sollen, sondern ich möchte nur
den aktuellen Stand beschreiben.  Wenn sich Alternativen auftun, sollten
wir auf diese setzen, damit sie weiterentwickelt werden, selbst wenn das
heißt, dass wir dadurch nicht den schnellsten, neusten, schönsten
Computer haben können.  Und wir sollten nach Möglichkeit selbst solche
Alternativen entwickeln, z.B. durch Reverse-Engineering.

Und wenn man diesen Gedankengang weitergeht, kommt man bei Hardware an.
Denn warum sollte ich mich von unfreier Firmware kontrollieren lassen,
wenn sie fest in Hardware gegossen ist.  Ich stimme mit Richard Stallman
und der FSF überein, dass diese Frage sich aktuell nicht stellt, weil
wir keine Möglichkeit haben unsere eigene Hardware herzustellen.
D.h. es ist zwar ein Problem, aber es ist uns technisch unmöglich dieses
Problem aktuell zu beheben (im Gegensatz zu der Firmware-Situation einen
Absatz weiter oben).  Wenn wir irgendwann kompaktere Maschinen zur
Chipherstellung haben sollten, wird diese Frage praxisrelevanter und bis
dahin ist es wichtig, zumindest freie Designs zu entwickeln.  Aber auch
jetzt ist die Frage schon wichtig, weil sie einen Kontrollverlust
aufzeigt, den wir ja gerade vermeiden möchten.  Vielleicht entgehe ich
auf meinem Libreboot-Gerät den schlimmsten Problemen (Intel ME & Co),
aber was nützt mir das, wenn die Festplatten-Firmware manipuliert ist?
Richard Stallman hat auf eine Frage, die ich ihm dazu gestellt habe, mal
gesagt, dass wir zwischen Freiheit und Sicherheit unterscheiden müssen
und ich denke das stimmt hier, weil uns die physische Welt daran
hindert, Hardware zu verändern, die uns ausspioniert, d.h. es wäre
vergleichbar damit sich über die Schwerkraft aufzuregen, aber wir sind
physisch und mental dazu in der Lage, Software zu verändern, uns wird
also Freiheit genommen, wenn uns dieses Verändern untersagt wird.

Unabhängig von diesem absoluten Ansatz, steigt aber niemand in das Thema
Freie Software ein und weiß sofort alles, hat alles durchdacht und
stellt alles um.  Das ist immer ein gradueller Prozess und dafür finde
ich es großartig, wenn es viele Möglichkeiten gibt, die Freiheit
auszuprobieren.  Freie Software auf unfreien Betriebssystemen ist dabei
eine Möglichkeit, genauso wie unfreie Software auf freien
Betriebssystemen[0].  Wichtig ist dabei, dass wir die Leute an dieser
Stelle abholen und ihnen zeigen, warum diese Mischung nur ein
Teilschritt ist und warum die Freiheit wichtig ist.  Das ist unsere
Aufgabe bei Straßenständen, auf Treffen, Konferenzen, in Gesprächen mit
Kollegen usw..

Happy hacking!
Florian

[0] https://www.gnu.org/philosophy/nonfree-games.html



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