Verhaltensregeln

Dr. Michael Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Mi Nov 2 20:25:24 UTC 2016


Am 02.11.2016 um 17:44 schrieb Max Mehl:
> Hallo Michael,
> 
> # RA Stehmann [2016-11-02 17:04 +0100]:
>> Am 02.11.2016 um 15:55 schrieb Erik Albers:
>>> Aber es gibt auch Menschen, die wenig Selbstvertrauen haben oder die
>>> Konflikte
>>> scheuen oder die ihre Meinung nicht äußern werden wenn die Gefahr
>>> besteht,
>>> dass sie dann angegriffen werden.
>>
>> Wenn es wirklich eines Codes of Conduct bedürfte, damit jemand in den
>> Fällen, die Du offenbar im Auge hast, eingriffe, dann wären wir wirklich
>> eine armselige Gemeinschaft.
> 
> Doch, wir brauchen einen Code of Conduct. Rational kann ich es mir nicht
> erklären, warum man etwas dagegen hätte, grundlegende
> zwischenmenschliche Regeln für ein friedliches Zusammenleben
> niederzuschreiben, die in 99,9% der Fälle sowieso von allen
> Teilnehmenden sowieso schon eingehalten werden, aber in 0,01% der Fälle
> deutlich machen kann, dass ein bestimmtes Verhalten nicht geduldet wird.
> 
Wenn die Regeln so selbstverständlich sind, bedarf es ihrer nicht, sie
sind schlicht überflüssig. Man kann einer verschwindenden Minderheit
auch unter Nutzung des gesunden Menschenverstandes klar machen, dass und
warum ihr Verhalten inakzeptabel ist. Sollte man damit Schwierigkeiten
haben, ist das ein gutes Indiz dafür, dass es eher grenzwertig ist.

Werden Selbstverständlichkeiten aber in Erinnerung gerufen und in Regeln
festgehalten, ist dies meist ein Indiz dafür, dass sie nicht mehr
eingehalten werden. Dies wirft aber ein unzutreffendes und auch
schlechtes Licht auf unsere Gemeinschaft.

Die allermeisten auf dieser Liste brauchen keinen Code of Conduct, um
sich zu benehmen. Und die meisten sind auch bereit einzuschreiten, wenn
jemand inadäquat behandelt wird.

Dass Du meinst, wir bräuchten hierzu einen Code of Conduct, zeigt, wie
Du über uns, unsere Empathie und Hilfsbereitschaft denkst.
>>
>> Meiner Meinung bedarf es keines Codes of Conduct um die "Scheuen" zu
>> bestärken, sondern eher so etwas wie Zuwendung und Bestärkung. Das aber
>> kann ein Code of Conduct nicht leisten.
> 
> Auch das verstehe ich nicht. Ich bin kein Rechtsgelehrter wie Du, aber
> ich dachte, Regeln bzw. Gesetze seien u.a. dafür da, die Schwachen vor
> Fehlverhalten der Stärkeren zu schützen. Ich kann mich nicht an eine
> funktionierende Philosophie erinnern, die die Schwachen erst so stark
> machen möchte, damit sie dann ebenso fest zurückhauen können.

Wenn Du nachts in dunkler Gasse einem aggressiven, zwei Meter großem
Martial-Arts-Kämpfer begegnest, nutzt Dir das beste Gesetzbuch nichts.
Da wäre eine herannahende Polizeistreife schon nützlicher. Und diese
braucht nicht das Gesetz zu zitieren, um ihm klarzumachen, dass das von
ihm beabsichtigte Verhalten unerlaubt ist und nach welchen Paragrafen
sie einschreiten müssen.

Schwache zu beschützen, gilt als richterlich, ist aber oft arrogant. Man
traut ihnen nichts zu, hält sie nicht für entwicklungsfähig. Man hält
sie dadurch aber auch in Abhängigkeit.

Es ist daher für mich selbstverständlich, dass es im Einzelfall gut ist,
jemanden zu verteidigen, aber besser, ihm zu helfen, sich selbst wehren
zu können.

Ich engagiere mich für Freie Software, weil sie dazu dienen kann, die
Menschen zu befähigen.

Wer einen Schutzraum schaffen will, sollte bedenken, dass sein Vorhaben
die Tendenz hat, Unmündigkeit zu perpetuieren.
> 
>>> Um also beide Interessen miteinander auszugleichen helfen klare
>>> Verhaltensregeln und ein Modus was passiert wenn diese Verhaltensregeln
>>> verletzt werden. Je größer eine Gemeinschaft wird, desto heterogener
>>> wird
>>> diese normalerweise auch und desto notwendiger werden eben gemeinsame
>>> Umgangsformen.
>>
>> Im Falle von Heterogenität hilft nur Toleranz aber keine
>> Vereinheitlichung des Verhaltens durch "klare Verhaltensregeln", die
>> letztendlich dann doch nicht so klar sein können (und sind), dass man
>> ohne jegliche Wertung jeden Einzelfall eindeutig und zweifelsfrei
>> beurteilen könnte.
> 
> Der Terminus "Vereinheitlichung der Verhaltensregeln" ist m.M.n. absolut
> fehl am Platz. Wenn in einer Community die Regel gilt "Beleidige keine
> anderen", fühlst Du Dich dann so derart in ein Regelkorsett gezwängt,
> dass Du Deine persönliche Entfaltung verlierst? Diese Äußerung muss sich
> für Menschen, die bereits Opfer von Beleidigungen und Diskriminierung in
> Communities wurden (davon gibt es leider nicht wenige), sehr schlimm
> lesen. Ich hoffe, Du überdenkst diese Äußerung nochmals.

Diskriminierend ist es aber auch, allen zu unterstellen, sie wüssten
sich ohne einen Code of Conduct nicht angemessen zu benehmen. Wenn einer
Community selbstverständliche Regeln "ins Stammbuch geschrieben" werden
müssen, ist es entweder um diese Gemeinschaft schlecht bestellt oder man
unterschätzt ihren Willen und ihre Kompetenz, sich nachhaltig sozial zu
verhalten.

> 
> Nochmal: Wenn man sich den CoC durchliest, geht es nicht darum,
> konstruktive und lebendig geführte Diskussionen zu unterbinden. Es geht
> darum, dass allen Teilnehmenden von FSFE-Events und
> Kommunikationskanälen, egal ob es nun die "Starken" oder "Schwachen"
> sind, dass persönliche Attacken, Beleidigungen, Diskriminierungen und
> Anfeindungen hier nicht erwünscht sind.
> 
Du diskriminierst und beleidigst die allermeisten hier, wenn Du davon
ausgehst, sie kämen erst beim Durchlesen das Code of Conduct auf die
Idee, wie man sich angemessen zu verhalten hat.

Ich bin jetzt persönlich geworden. Ich sollte besser compliancekonforn
schreiben:

Man würde die allermeisten hier diskriminieren und beleidigen, wenn man
davon ausginge, sie kämen erst beim Durchlesen das Code of Conduct auf
die Idee, wie man sich angemessen zu verhalten hat.

Lieber unpersönlich etwas Distanz wahren!

Aber das wäre auch wieder diskriminierend und beleidigend, weil ich dann
unterstellen würde, dass Du eine solche persönliche Ansprache nicht
"abkannst".

Gruß
Michael



-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : signature.asc
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 198 bytes
Beschreibung: OpenPGP digital signature
URL         : <http://lists.fsfe.org/pipermail/fsfe-de/attachments/20161102/43d66f04/attachment.sig>


Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de