Re: Makroprogrammierung für Officeprogramme als erste Programmiererfahrung im Informatikunterricht

Dr. Michael Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Mi Mai 25 05:23:01 UTC 2016


Hallo,

Du wirfst tiefgründige Fragen auf.

Am 24.05.2016 um 21:04 schrieb Wolfgang Romey:
> Hallo!
> 
> Am Dienstag, 24. Mai 2016, 18:03:46 schrieb Frank Guthausen:
>> On Fri, May 20, 2016 at 08:03:44AM +0200, Dr. Michael Stehmann wrote:
>>> Für mich ist Programmieren schon eine Kulturtechnik, deren Kenntnis erst
>>> die gleichrangige Teilnahme an der digitalen Gesellschaft ermöglicht.
>>
> Was ist denn das "digitale Gesellschaft" und worin realisiert sich 
> gleichrangige Teilnahme? Die gleichrangige Teilnahme wird in dieser 
> Gesellschaft durch wirksamere Faktoren verhindert, z. B. schon das Elternhaus, 
> in das man geboren wird.

Das darf in einer Demokratie (eigentlich) nicht sein.

Hatte die allgemeine Schulpflicht (neben der Ertüchtigung des
Rekrutenmaterials durch Verhinderung der Kinderarbeit) nicht auch den
Zweck, alle Bürger mit einem Mindestmaß an Bildung auszustatten?

Werden die Kinder nicht auch heute noch in die Schule gezwungen, weil
der Staat der Auffassung ist, alle Einwohner müssten gewisse Kenntnisse
und Fähigkeiten zumindest dort erlernen (z.B. muslimische Mädchen
Schwimmen, fundamentale Christen die Evolutionslehre und beide zusammen
Sexualkunde)?

> 
>> Gehen wir doch noch einen Schritt weiter:
>>
>> In unserer digitalen Gesellschaft gehören zumindest grundlegende
>> Programmierkenntnisse zur Allgemeinbildung (algorithmisches Denken,
>> Problemlösungskompetenz). 
> 
> Diese Fähigkeiten soll doch angeblich schon der Mathematik-Unterricht 
> herausbilden. Wozu also Programmierkenntnisse? Für mich ist zu fragen, welchen 
> spezifischen Beitrag der Informatik-Unterricht dazu leisten soll, daß die 
> Schüler sich die Welt besser also ohne diesen Unterricht erklären können? Ich 
> halte z.B. das Fach Technik für mindestens genauso wichtig wie Informatik.
> 

Ich habe den Lehrern meiner Kinder erklärt, dass ich (nur) erwarte, dass
sie zwei Fähigkeiten erwerben: Denken und Lernen. Alles andere ist
exemplarisch.

In der Tat kann man die Frage aufwerfen, welcher Stoff in welchem Fach
zu vermitteln ist.

Da wird ein Physiklehrer möglicherweise sagen: Wozu Technik? Bei mir
lernen die Kinder die Hebelgesetze, die Erhaltungssätze, Thermodynamik,
Ohm und Kirchhoff und zum Schluss noch ein bisken Festkörperphysik,
damit kann man doch die Technik verstehen.
> 
> Ich erwarte zunächst von Politikern, daß sie ehrlich sind und das sie von 
> Ethik geleitet handeln. Dazu käme für mich zunächst vertiefte gesellschafts- 
> und humanwissenschaftliche Bildung. 
> 
Auch damit machst Du ein Riesenfass auf ;-) .

Gerade in Nerdkreisen gibt es eine gewisse Verengung des
Wissenschaftsbegriffes auf die Naturwissenschaften und deren Methoden.
Da ist dann schon der geisteswissenschaftliche Ansatz in der Psychologie
(Psychoanalyse) "Hokuspokus" und in den Gesellschaftswissenschaften
zählt allenfalls das, was statistisch erfasst werden kann.

Juristen denken immerhin schon seit über hundert Jahren über die
Wertlosigkeit ihres Faches als Wissenschaft nach ("Drei berichtigende
Worte des Gesetzgebers und ganze rechtswissenschaftliche Bibliotheken
werden zu Makulatur").

Wie Du schon in einem vorangegangenen Posting schriebst: Der
Bildungskanon und dessen Verteilung auf Schulformen und -typen und
anderen Bildungseinrichtungen bedarf einer Überarbeitung (und das
eigentlich permanent und in einem demokratischen Staat als Ergebnis
eines gesellschaftlichen Diskurses).

Gruß
Michael



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